Autograf: nicht ermittelt
Druck 1: Hermann Erler, „Ein ungedruckter Brief. Louis Spohr an Josef Tichatschek“, in: Berliner Tageblatt 23.10.1905, S. [13]
Druck 2: „Een brief van Louis Spohr aan den zanger Tichatschek”, in: Caecilia. Algemeen muzikaal tijdschrift van Nederland 62 (1905), S. 525f., hier S. 525
Druck 3: New York Daily Tribune 12.11.1905, T. 4, S. 3 (engl. Übers.)

Cassel, den 7. Januar 1845.
 
Wohlgeborener,
Hochgeehrter Herr,
 
Ein Wunsch, der mich schon seit einiger Zeit lebhaft beschäftigt, ist Veranlassung, daß ich Ihnen diese Zeilen schreibe, um deren freundliche Aufnahme ich im Voraus bitte.
Am Neujahrstage wurde eine neue Oper „Die Kreuzfahrer“ zum ersten Mal gegeben und mit einem für Cassel ganz beispiellosen Enthusiamus aufgenommen.1 Dieser Erfolg lässt mich hoffen, daß die Oper nun bald auf andere Theater übergehen werde und erweckt einen Wunsch in mir, der mir schon einige Male bey der Arbeit vorschwebte, nämlich den, die Parthie des Balduin, die nicht nur die Hauptparthie dieser Oper ist, sondern wohl auch eine der dankbarsten Tenorparthien unseres deutschen Opernrepertoirs seyn mögte, einmal durch Ihre Darstellung verherrlicht zu sehen! Die Wunsch läßt sich nun freilich nicht anders realisiren, als wenn es möglich wäre, daß die Oper während meiner Ferienzeit, im Monat Juli, in Dresden gegeben würde, denn ich darf leider nicht hoffen, einen Urlaub außer der Ferienzeit bewilligt zu erhalten und habe deshalb ganz kürzlich wieder mehrere Einladungen nach Berlin2, Hamburg3, England4 und New-York5, um Werke meiner Komposition zu dirigiren, ablehnen müssen. Ich wende mich daher an Sie mit der ergebensten Bitte, mich wissen zu lassen, welche Schritte ich zu thun hätte, um meinen, eben ausgesprochenen Wunsch wo möglich erfüllt zu sehen. Da bey Ihnen nicht nur die Parthie des Balduin, sondern auch die der Emma und der Aebtissin besser wie hier besetzt seyn würden, so würde eine Aufführung der Oper auf Ihrem schönen Theater mir meinen diesjährigen Ferien-Ausflug zu einem der genußreichsten meines Lebens machen können! Daß mich bei dieser Angelegenheit kein anderes Interesse leitet, als das genannte, und daß ich, im Fall man mir gestattet, meine Oper selbst zu dirigiren, auf keine Art von Vergütung dafür Anspruch mache, habe ich wohl kaum nöthig zu erwähnen. Ich mögte nur die Freude haben, das Werk einmal so zu hören, wie ich es mir bey der Arbeit gedacht habe.
Indem ich nun einer gefälligen Beantwortung meiner obigen Anfrage entgegen sehe, bitte ich noch, mich Ihrer Frau Gemahlin, sowie allen denen, die mich bey meiner letzten Anwesenheit in Dresden so freundlich aufnahmen, angelegentlichst zu empfehlen.
Mit vorzüglicher Hochachtung ganz
 
der Ihrige
Louis Spohr

Autor(en): Spohr, Louis
Adressat(en): Tichatschek, Joseph
Erwähnte Personen:
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Die Kreuzfahrer
Erwähnte Orte: Berlin
Dresden
Hamburg
Kassel
London
New York
Erwähnte Institutionen: Hoftheater <Dresden>
Hoftheater <Kassel>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1845010714

Spohr



Tichatschek beantwortete diesen Brief am 14.01.1845.
 
[1] Vgl. O[tto] K[raushaar], „Cassel, im Januar 1845”, in: Allgemeine musikalische Zeitung 47 (1845), Sp. 254-260, hier Sp. 256.
 
[2] Noch nicht ermittelt.
 
[3] Noch nicht ermittelt.
 
[4] Noch nicht ermittelt.
 
[5] Einladung zum ersten transatlantischen Musikfest in New York 1846 (vgl. „Kleine Zeitung”, in: Neue Zeitschrift für Musik 21 (1844), S. 58).
 
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (07.10.2016).