Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Wohlgeborner Herr,
Hochzuverehrender Herr Hofcapellmeister!

Entschuldigen Ew. Wohlgeboren gütigst, wenn ich mir als ein Ihnen Unbekannter die Freiheit erlaube, an Ew. Wohlgeboren zu schreiben und nehmen dieselben die innige Bitte meines Herzens wohlwollen und nachsichtig auf.
Schon seit meiner frühen Jugend aus tiefster Seele für Musik erglüht, habe ich später der Ausübung derselben oft mehr Zeit zugewandt, als es mir eigentlich der beschränktende Lehrerberuf gestattete und mich darin wahrhaft glücklich gefühlt. Zum größten ferneren Eifer gereichte es mir daher, als ich in den Jahren 1842-44 in Coburg, wo ich Hauslehrer war, das Glück hatte, die Leitung des dortigen Gesangverein übernehmen zu dürfen. In dieser Zeit entstanden zum Theil auch die Compositionen, welche ich im Vertrauen auf die gütige Nachsicht Ew. Wohlgeboren beigelegt habe. Durch die schätzenswerthe Gunst eines Mannes kam ich von Coburg weg an die hiesige Bürgerschule. Da ich hier aber nun gar nichts mit Musik zu thun fand, die Musikverhältnisse überhaupt so beschränkt sind, daß sie nicht einen einzigen schönen Genuß darbeiten, meine pecuniären Verhältnisse auch so beschaffen sind, daß ich mir nicht einmal ein musikalisches Werk zum weiteren Selbststudium anschaffen kann; so mußte ich mich in der That recht verlassen und unglücklich fühlen. Ich griff nach den früheren kleineren Compositionen von mir, wandte die wenigen abendlichen Freistunden zu weiteren Versuchen in der Composition an, und wende mich nun in diesem unglücklichen Verlassensein vertrauensvoll an Sie, Hochzuverehrender Herr Hofcapellmeister, die Sie ja durch ihren aufrichtigen hohen Rath unnd einflußreichen Beistand schon so Vielen strebenden Jünglingen für immer aufgeholfen haben, ich werde mich mit der innigen Bitte an Ew. Wohlgeboren:
„Wohldieselben möchten mir doch die Gewogenheit erzeigen, und in einer Mußestunde die beiligenden Compositionen einer gütigen Ansicht würdigen und mir darüber Ihre hohe Meinung zu Theil werden zu lassen.“
Da mein aufrichtig jungendliches Bestreben darauf gerichtet ist, mich meiner Hohen Behörde zu einer mit Musik verknüpften Stelle zu empfehlen, so werden Eure Wohlgeboren in edler Menschenfreundlichenkeit dieses vielleicht unbescheidene Zudrängen gewiß gern entschuldigen.
Indem ich Wohldieselben nochmals um gütige Nachsicht und wohlwollende Gewährleistung meiner innigen Bitte höflichst ersuche, verharret mit der ausgezeichnesten Hochachtung und Ehrerbietung

Ew. Wohlgeboren
ergebenster Diener
Bernhard Müller,
Lehrer der Bürgerschule.

Salzungen den 4t Januar 1845.

Autor(en): Müller, Bernhard (Kantor)
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen:
Erwähnte Kompositionen: Müller, Bernhard (Kantor) : Lieder, Sgst Kl
Erwähnte Orte: Coburg
Salzungen
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1845010445

Spohr



Spohr beantwortete diesen Brief am 02.02.1845.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (06.12.2019).