Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287
Druck: Kadja Grönke, „August Pott (1806-1883) und die großherzogliche Hofkapelle in Oldenburg“, in: Oldenburger Jahrbuch 108 (2008), S. 95-115, hier S. 113, Anm. 61 (teilweise)

Innigstverehrter Lehrer und Freund!

Es bedarf wohl nicht der Versicherung, welche große Freude mir Ihre liebevollen Zeilen vom 24. Nov. bereitet, und diese Freude theilen viele mit mir, wenngleich auch niemand so tief wie ich. – Wir sollen also die große Freude haben Sie hier zu sehen, zu hören, und unter Ihrem Zepter zu spielen. Daß ich mir es nicht nehmen lasse die 1. Violinen anzuführen ist sehr natürlich. Ich gedenke, wo möglich auch von Bremen die besten Saiteninstrumentisten dazu einzuladen. Da Sie so uneigennützig sich anbieten für einen wohlthätigen Zweck Ihre Direction und Solospiel zu1 bieten, so glaube nichts Besseres thun zu können, als einen langgehegten Wunsch zu verwirklichen uns einen Pensions-Witwen-Fonds für die Capelle zu gründen. Soweit würde Ihre Hieherkunft doppelt segensreich werden. Der Capelle habe ich solches bereits angezeigt, welche natürlich hoch erfreut darüber ist. Daß Ihre verehrte Gattin uns auch beehren will, erhöht unsere Freude, und wir meine liebe Frau und ich bitten wiederholt, daß Sie Sich’s in unserer Behausung gefallen lassen wollen. Leider ist mein neues, welches im Bau begriffen ist, bis dahin noch nicht vollendet; einst(???) wird auch unsre jetzige Wohnung hinreichen Ihnen mit Ihrer Gattin die nöthige Bequemlichkeit zu gewähren. Ueber die Zeit Ihrer Hieherkunft will ich den Wunsch aussprechen, dass solche Mitte Juni statt finden möge, weil dann unsre vornehme Welt noch anwesend sein wird, welche sich späterhin minder oder mehr auf Reisen begibt.
Je früher Ihre Hieherkunft also Statt haben kann desto besser ist es, um den Zweck in jeglicher Beziehung möglich zu erreichen.
Meine nächste Frage ist nun, welche Orchesterwerke wünschen Sie von Sich aufzuführen. Die Weihe der Töne wird heute von meinem Orchester in Bremen, ich hoffe auf eine würdige Weise aufgeführt. Meine Capelle ist dort nemlich zu 6. Concerten im Laufe des Winters engagirt. In den Winterconcerten daselbst wurde sie jüngst aufgeführt, aber mit einer Probe. – Dahinzu kommt noch, daß der alte Riem ein alter Perüquen-Stock ist. der sogar die Dummheit begangen hat, einiges darin abzukürzen. Aus diesem einen Umstande können Sie schon schließen, wie weit der Mann das Werk begriffen hat.
Meinen jüngst begonnenen Brief kann ich leider erst heute am 27. Dec. fortsetzen, da überhäufte Geschäfte aller Art mich daran gehindert. Die Aufführung in Bremen soll ganz glänzend gewesen, und Künstler und Publicum entzückt worden sein. Nun, sagt Jedermann, haben wir erst begriffen, was das für ein Götterwerk ist. Uebrigens läßt sich’s leicht erklären, daß die Aufführung mangelhaft war, wenn man erwägt, daß nur eine Probe vom Bremer Orchester dazu verwandt wurde.
Ihr freundliches, nachsichtsvolles Urtheil über mein Concert hat mich sehr erfreut. Was die vermutheten Mängel anlangt, so bleibt mir die Beruhigung, daß ich diesen Tadel größtentheils von Ihnen erwartete. In der That war ich auch schon früher darüber aus solche abzustellen, aber kein Versuch wollte mir gelingen, wenigstens keiner mich befriedigen. Herzlich danke ich Ihnen für die Zeit und Mühe, die Sie meinem Werke geschenkt haben.
Noch einmal muß ich auf Ihre Hieherkunft und zwar auf die aufzuführenden Sachen zurückkommen, und zugleich mein Bedauern auszusprechen, daß wir in Betreff des Gesangs so schlecht bestellt sind. Selbst unser Chor ds Singverein ist herzlich schlecht. Die Leute könnten mehr leisten, aber nichts soll Anstrengung und wäre sie noch so gering, verursachen, und Mutter Natur hat uns was Stimme(???) anlangt daher gar stiefmütterlich behandelt. Versuchen will ich es jedochl ob ich nicht einige Chöre vielleicht zu Stande bringen kann. Die Vorsteher des Singvereins habe ich schon seit Jahren aufgegeben, und seither hat der Singverein 4 Mal seinen Dirigenten gewechselt, und alle sind sie es müde geworden. Dreijahr(???)2 hat Franzen die Direction, dem es nicht an gutem Willen aber an aller Energie gebricht. In Betreff des Orchesters dürfen Sie unbesorgt sein. Unser 1. Clarinettist3 gedenkt Ihr 1. Clarinett-Concert zu blasen.
Sobald es Ihre Zeit gestattet, sind Sie wohl so gütig auch unter die Wahl der(?) aufzuführenden Compositionen in Kenntniß zu setzen.
Ich wünschte es samt meiner Frau, daß uns Ihr lieber Besuch nebst dem4 Ihrer verehrten Gattin die innigste Freude bereitet wird, und dass wiruns zu Ihrer Hieherkunft wahrhaft schon und wie die Kinder vor Weihnachten die Tage zählen werden.
Ihrer verehrten Gatting unsre besten Empfehlungen
Mit innigster Verehrung

Ihr
dankbarer Schüler
August Pott.

Oldenburg, am 27. Dec 1844.

Autor(en): Pott, August
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Franzen, Carl
Köhn, L.
Riem, Friedrich Wilhelm
Spohr, Marianne
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Konzerte, Klar Orch, op. 26
Spohr, Louis : Die Weihe der Töne
Erwähnte Orte: Bremen
Oldenburg
Erwähnte Institutionen: Gesangverein <Oldenburg>
Hofkapelle <Oldenburg>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1844122737

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf Spohr an Pott, 24.11.1844. Spohr beantwortete diesen Brief am 05.01.1845.

[1] „zu“ über gestrichenenem „anzu“ eingefügt.

[2] Franzen war seit mindestens 1841 Dirigent des Singvereins (vgl. N.n., „Nachrichten über Deutschlands Musikvereine. Musikvereine in Oldenburg“, in: Zeitschrift für Deutschlands Musikvereine und Dilettanten 1 (1841), S. 344-357, hier S. 345).

[3] Vgl. Spohrs Zeugnis für L. Köhn, 29.06.1845.

[4] „dem“ über der Zeile eingefügt.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (25.11.2020).