Autograf: Stanford University Music Library (US-STum), Sign. MLM 979E
Faksimile: Robin H. Legge und W.E. Hansell, Annals of the Norfolk & Norwich Triennial Musical Festivals. MDCCCXXIV : MDCCCXCIII, London 1896, zwischen S. 102 und 103
Beleg: Catalogue of the valuable Collection of Autograph Letters, Historical Documents & Manuscripts. The Property of J. Stoddart, Esq. [...] (= Katalog Sotheby, Wilkinson & Hodge), London 1909, S . 29

To
the Rev. Mr. R.F. Elwin
City Norwich
England
 
franco.
Rotterdam
 
 
Cassel den 25sten October
1844.
 
Hochverehrter Herr,
 
Ihre freundliche und mich ehrende Einladung, das nächstjährige Musikfest in Norwich zu leiten, hat mich in hohen Grade erfreut, denn sie giebt mir den Beweis, daß man sich meiner dort noch wohlwollend erinnert. Allein so gern ich auch dieser Einladung Folge leisten mögte, so ist es doch besser, daß ich gleich darauf verzichte, da ich die feste Überzeugung habe, daß der Prinz mir den Urlaub, eben so wie beym vorigen Musikfeste verweigern würde und eine bedingte Annahme von meiner Seite, Sie nur verhindern würde, bey Zeiten einen anderen Director für Ihr Fest zu engagiren. Was unsern Freund Taylor glauben macht, daß es jetzt weniger Schwierigkeiten haben werde, den Urlaub zu erwirken wie damals, kann ich nicht errathen! Vielleicht hat er gehört, daß der Prinz1 mir ohnlängst einen Urlaub nach Braunschweig gestattete, um dort ein Musikfest zu leiten. Hierzu war aber nur ein einwöchentlicher Urlaub erforderlich und er fiel in eine Zeit, wo ich wenig Thatergeschäfte hatte; und doch waren wir sehr überrascht, daß er genehmigt wurde. Um so weniger darf ich nun aber hoffen, im nächsten Jahr schon wieder einen Urlaub unter der Ferienzeit zu erhalten und am allerwenigsten einen auf 4 Wochen, wie er doch zu der Reise nach England erforderlich wäre. Es ist daher, wie schon gesagt, besser sogleich zu verzichten. Haben Sie die Güte dem Comittée meinen Dank, so wie mein Bedauern auszudrücken, seiner Einladung nicht Folge leisten zu können. Meine besten Wünsche begleiten Ihr Unternehmen!
Beym Musikfest in Braunschweig wurde „der Fall Babylons“ auf eine höchst gelungene Weise aufgeführt. Der Chor, aus fast 600 Stimmen bestehend, war vortrefflich eingeübt, die Solosänger sehr ausgezeichnet und das Orchester, durch die Kapelle aus Hannover und Musiker aus Leipzig und Berlin verstärkt, war von imposanter Kraft. Die Aufführung fand in einer zum Concertsaal eingerichteten Kirche statt, die 4 bis 5,000 Zuhörer faßt und ganz angefüllt w[ar.] Am 2ten Tage wurde ein gemischtes Concert, in welchem ich meine 5te Sinfonie dirigirte, gegeben und am Abend fand eine Festivität statt die mir zu Ehren von meinen Landsleuten veranstaltet war, bey der es auch noch einige interessante Musikaufführungen gab.2 -
Sollten Sie an Herrn Taylor oder an Herrn Marschall schreiben, so bitte ich um herzliche Grüße.
Mit vorzüglicher Hochatung ganz
 
der Ihrige
Louis Spohr.



Dieser Brief ist die Antwort auf Elwin an Spohr, 12.10.1844.
 
[1] Der spätere Kurfürst Friedrich Wilhelm.
 
[2] Vgl. Spohr an Adolph Hesse, 31.10.1844; Marianne Spohr, Tagebucheinträge 26.09.-01.10.1844.
 
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (02.12.2019).