Autograf: Spohr Museum Kassel (D-Ksp), Sign. Sp. ep. 1.4 <Pott 18440929>

Sr. Wohlgeb.
dem Herrn Hofkapellmeister
August Pott
in
Oldenburg.

frei.1


Braunschweig den
29sten Sept. 1844.

Hochverehrter Freund,

Wie schmerzlich ist es mir, auch dieses Mal Ihrer so überaus freundlichen Einladung nicht folgen zu können! Aber leider muß ich übermorgen schon nach Cassel zurück und am Mittwoch Nachmittag schon wieder eine Probe einer neuen Oper leiten. Daß ich überhaupt nur einen Urlaub außer unserer Ferienzeit erhalten habe, muß ich als eine besondere Begünstigung betrachten, darf aber nicht hoffen, daß sich diese sobald wiederholen werde. Ich habe deshalb auf eine Einladung nach Berlin, um dort mein neues Oratorium zu dirigiren, ablehnen müssen. Sollten Sie mich aber einmal während unserer Ferienzeit (von Mitte Juni bis Ende Juli) gebrauchen können, so werde ich gewiß kommen und auch, wenn Sie es wünschen, etwas spielen. Die heutige Aufführung des „Fall Babylons“ wird eine sehr großartige seyn.2 Der Chor aus mehr als 500 Stimmen bestehend, ist mit außerordentlicher Sorgfalt eingeübt. Das Orchester, durch Musiker aus Hannover, Berlin und Magdeburg verstärkt ist ebenfals vortrefflich und so darf ich wohl hoffen, daß nach der gestrigen sehr befriedigenden Hauptprobe3, heute alles nach Wunsch gehen werde! Morgen findet in einem großen Saal ein Conzert statt, in welchem ich meine 5te Sinfonie dirigiren werde. Müller spielt mein 11tes Violinconcert und mit seinem Sohn, Zimmermann aus Berlin und meinem Schüler Bott das Maurer‘sche Quadrupelconcert.4
Die Braunschweiger haben mich mit großer Freundlichkeit empfangen und mir gestern Abend ein Fest gegeben, welches zu den schönsten gehört, die ich je erlebte.
Doch ich muß schließen, denn noch giebt es allerley zu ordnen und zu schlichten.
Haben Sie die Güte Ihrer Kapelle mein Bedauern auszusprechen, daß ich bey ihrem wohlthätigen Unternehmen nicht mitwirken kann, welches ich um so lieber gethan hätte, da ich in Cassel leider zu gleichem Zweck nichts unternehmen kann, da mir durch unsere Verhältnisse die Hände gebunden sind.
Ihrer Frau Gemahlin unsere her[zlichsten] Grüße. Mit wahrer Freundschaft ga[nz]

der Ihrige
Louis Spohr.



Der letzte belegte Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Pott, 17.03.1844. Pott beantwortete diesen Brief am 06.11.1844.

[1] Rechts oben im Adressfeld befindet sich der Poststempel „BRAUNSCHWEIG / 29/9“.

[2] Vgl. Marianne Spohr, Tagebucheintrag 29.09.1844.

[3] Vgl. Marianne Spohr, Tagebucheintrag 28.09.1844.

[4] Vgl. Marianne Spohr, Tagebucheintrag 30.09.1844.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (14.07.2020).