Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Sr. Hochwohlgeboren
dem Herrn Hof Capellmeister Spohr
Cassel.


Braunschweig d 24sten July 1844

Hochwohlgeborener
Hochgeehrtester Herr Hof-Capellmeister!

Nachdem meine Herren Collegen1 mir das Ehrenamt übertragen haben, gegen Ew. Hochwohlgeboren während Ihrer Anwesenheit am hiesigen Orte behufs der Direction Ihres „Fall von Babylon“ die Pflichten der Gastfreundschaft zu üben, darf ich mir wohl nochmals die Freiheit nehmen Ihnen, und zwar nun auch unmittelbar die Versicherung zu ertheilen, wie es mir zur besondern Ehre und zur größten Freude gereichen würde, wenn Sie es Sich gefallen laßen wollten während Ihres hiesigen Aufenthaltes mein Haus als Ihr Quartier anzusehen.
Ew. Hochwohlgeboren haben zwar meinen Antrag bereits abgelehnt; allein ich bitte in seiner Wiederhohlung nicht eine Zudringlichkeit, sondern nur eine Sorge für Ihre eigene Bequemlichkeit, und für die Ihres Herrn Bruders und deßen Familie zu erblicken. Wenn Sie, wie wir hoffen, sich länger als die anfangs zugesagten 8 Tage hier aufhalten, und Ihre Frau Gemahlinn wie sonstige Angehörige mitbringen, die bei der Aufführung Ihres neuesten großen Werkes in Ihrer Vaterstadt doch auch nicht fehlen dürfen, so mögte, zumal bei der täglichen großen Unruhe, welche der unvermeidliche Verkehr mit hiesigen Künstlern und Kunstfreunden nothwendig herbeiführen wird, die Wohnung Ihres Herrn Bruders kaum geräumig genug sein, um Sie Alle neben seiner eigenen Familie ohne Gêne2 aufzunehmen, die Sie doch auch ihm vielleicht zu ersparen wünschen, mir aber in keiner Hinsicht verursachen würden. Zudem wird es Ihrem Herrn Bruder gewiß angenehm sein, auch Ihre andern auswärts wohnenden Brüder, die bei dieser Gelenheit ohne Zweifel ebenfalls hierher kommen werden, bei sich im Hause aufnehmen zu können.
Schon aus diesen Rücksichten bitte ich also nochmals mir die Ehre Ihres Besuches zu schenken, oder erlaube mir, wenn Sie glauben sollten, Ihren Herr Bruder diesen nicht ganz entziehen zu dürfen, wenigstens den Vorschlag, entweder für Ihre Person nebst Frau Gemahlin bei mir Quartier zu nehmen, und Ihre übrige verehrte Familie dort zu logiren, oder wenn dies weniger in Ihrer Convenienz liegen sollte, es umgekehrt einzurichten.
Wenn Sie es auch bei mir nicht ganz so finden sollten, wie Sie es gewohnt sein werden, so sollen Sie doch auch wenigstens nichts vermißen, was guter Wille und aufrichtige hohe Verehrung für einen so lieben Gast, in dem jeder Braunschweiger mit Stolz seinen Landsmann begrüßt, zu bieten vermögen.
Es würde mich sehr erfreuen, wenn Sie, hochgeehrtester Herr Hof-Capellmeister, meine Bitte, und wäre es auch nur theilweise, und empfehle mich, noch nicht ohne alle Hoffnung auf deren Gewährung, mit der ausgezeichnetsten Hochachtung

ganz gehorsamst
Eduard Schade.

Autor(en): Schade, Eduard
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Spohr, Marianne
Spohr, Wilhelm
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Der Fall Babylons
Erwähnte Orte: Braunschweig
Erwähnte Institutionen: Verein für Konzertmusik <Braunschweig>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1844072447

Spohr




Spohrs Antwortbrief vom 09.08.1844 ist derzeit verschollen.

[1] Vom Verein für Konzertmusik in Braunschweig.

[2]Gêne, (spr. Schäne) die Fesselung, Pein, Qual, der Zwang, bes. Wohlstands-Zwang“ (Friedrich Erdmann Petri, Gedrängtes Deutschungs-Wörterbuch der unsre Schrift- und Umgangs-Sprache, selten oder öfter entstellenden fremden Ausdrücke, zu deren Verstehn und Vermeiden, 3. Aufl., Dresden 1817, S. 207).

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (16.06.2021).