Marianne Spohr, Tagebuch von der Pariser Reise 1844
Autograf: Spohr Museum Kassel (D-Ksp), Sign. Sp. ep. 2.2.02, Bl. 1v-2r

Sonntag d. 23sten
Morgens große Promenade in der wunderschönen Stadt herum, wo mir wieder der rührend schöne Place des martyrs vorzüglich gefiel. Im Dom hörten wir eine französische sehr eifernde Predigt, und eine hübsche musikalische Messe. Die Kanzel besonders schön in Holz geschnitzt. Im ehemal. Palais des Prinzen v. Oranien besahen wir die kostbare reizend eingerichtete Industrie-Ausstellung, die aus Geschenken aus dem ganzen Lande besteht, welche nachher für die Armen ausgespielt werden. – ½ 1 Uhr brillante Militärmusik in dem herrlichen großen Park, wo fast ganz Brüssel, besonders der vornehme Theil als Zuhörer rings unter den Bäumen in langen Reihen auf Stühlen saßen, deren wir ebenfalls zu dem Zweck für uns mietheten. Das Concert kam jedoch nicht zur Hälfte, weil plötzlich ein Gewitter heranzog, das die ganze Masse in lächerlicher Eile auseinanderjagte. An der reich verzierten Decke des Musiktempels prangte auch Spohrs Name unter denen der berühmtesten Componisten. – Besuch von H. Fetis bei Spohr, der viel über Musik mit ihm sprach. – ½ 5 Uhr brillantes Essen an table d’hotes. – Nachher Spaziergang auf den Boulevards um die Stadt herum, weit bis in die große Allee, wo alles von eleganten Menschen und Equipagen wimmelte. Kaffee im Freien vor dem Kaffeehaus that uns bei der schrecklichen Hitze sehr wohl. Am botanischen Garten her, durch die schöne Königs- und viele andere Straßen in der Dämmerung ganz ermattet ins Gasthaus zurück.

Autor(en): Spohr, Marianne
Adressat(en):
Erwähnte Personen: Fétis, François-Joseph
Spohr, Louis
Erwähnte Kompositionen:
Erwähnte Orte: Brüssel
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1844062390

Spohr



Dieser Tagebucheintrag folgt auf den Eintrag 22.06.1844. Der nächste Eintrag ist 24.06.1844.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (24.11.2021).