Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Sr. Hochwohlgeboren
dem Herrn Hofcapellmeister Dr. Spohr
zu
Cassel.

fr. incl. Bestellgeld1


Braunschweig, den 1. Juni 1844.

Hochzuverehrender Herr Hofcapellmeister!

Zuvörderst meinen und unseres ganzen Vereines herzlichsten Dank für die freundliche Bereitwilligkeit, mit welcher Sie unsere Einladung angenommen haben! Wie in unserem Vereine, (welcher sich wegen Pfingstreisen pp. erst heute versammeln konnte), so wird sie dem Unternehmen auch in dem großen musikalischen Publicum ein ganz besonderes Interesse verleihen, sobald wir diesem nur erst die bestimmte Versicherung ertheilen dürfen „Festleiter: Spohr Selbst!“
Bevor wir indessen über diesen wichtigsten Punct nicht völlige Gewißheit erlangt haben werden, halten wir es für gerathen, über Ihre Theilnahme an dem Feste so wenig, als möglich in’s Publicum zu bringen, theils um nicht durch immer noch leicht getäuschte Erwartungen desto mehr zu schaden, theils um alle Nachrichten über jene in öffentlichen Blättern zu verhüten, durch welche der Kurprinz2, vorzeitig von unserer Einladung in Kenntniß gesetzt, gegen diese von vornherein eingenommen werden könnte. Sobald übrigens der zu einem Urlaubsgesuche geeigneteste Zeitpunct gekommen sein wird, bedarf es nur einer gefälligen Benachrichtigung, damit Ew. Hochwohlgeboren dem Prinzen auch das gewünschte Gesuch von hier aus vorlegen können. Bis dahin und bis zu einer (wie unsere Schutzheilige geben möge!) willfährigen Resolution mögen auch alle ferneren Anfragen und Mittheilungen von hier aus verbleiben! Nur für Ihre freundlichen Winke über Besetzung der Soli und Chöre empfangen Sie schon jetzt den herzlichsten Dank! Die 5 Hauptsolisten (Fischer’s, Schmetzer, Pöck und Madame Müller) haben bereits, diesesmal mit sichtlichster Freude, ihre Mitwirkung zugesagt.
Wie ich von den Ihrigen gehört habe, beabsichtigen Ew Hochwohlgeboren nach Paris zu reisen. Dort, wo das musikalische Publicum in der letzteren Zeit durch Berlioz (welchen ich hier wegen Krankheit nicht persönlich habe kennen lernen), Liszt, Mendelssohn (der von London über Paris zurückkehren will), den Violoncellisten Cosmann (Theodor Müller’s Schüler) u.a. eine nicht unvortheilhafte Meinung von Braunschweig erhalten hat, wird die erste große Aufführung Ihres neuesten Oratoriums in Ihrer Vaterstadt gewiß auch Interesse erregen. Wir inzwschen wollen uns die Zeit mit Chorübungen und – Ihren Claviercompositionen vertreiben. Alles Glück zu Ihrer Pariser Reise, Ihrem dortigen Aufenthalte, (Mendelssohn bitte ich freundlich von mir zu grüßen), und zu Ihrer Rückkehr! Dann wird es Ihnen, oder vielmerh uns auf Ihrem Gange zum Prinzen doch wohl auch nicht den Rücken kehren!
Stets mit aufrichtiger Verehrung

gehorsamster
EOtto.



Der letzte erhaltene Brief ist Otto an Spohr, 11.04.1844. Der nächste erhaltene Brief ist Otto an Spohr, 25.07.1844. Derzeit ist unklar, ob Spohr in der Zwischenzeit Ottos Vorbrief beantwortete oder ob die hier von Otto erwähnte Annahme der Einladung ausschließlich über den in Wilhelm Krämer an Spohr, 17.05.1844 erwähnten Brief von Marianne Spohr an Wilhelm Spohr erfolgte.

[1] Auf dem Adressfeld befindet sich rechts oben der Poststempel „BRAUNSCHWEIG / 2/6“, rechts in der Mitte der Stempel „3 ½ – 4“; auf der Rückseite des zusammengefalteten Briefumschlags der Stempel „3JUNY[1844]“.

[2] Der spätere Kurfürst Friedrich Wilhelm.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (13.05.2022).