Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms.Hass. 287

Hochgeehrter Herr Hof-Kapellmeister!
 
Wenn ich Ihre gütige Zuschrift vom October v. J. erst jetzt beantworte, so ist der Grund kein andrer als der, Ihnen die gewünschte vollständige Auskunft über die Fortschritte des jungen Mannes in question(?) zu geben. Derselbe war bis kurz vor Ostern in einer sogenannten Musikschule in Ritzenbüttel bey einem Herrn Koop – der sich ein Schüler von Ihnen nennt1 – und habe ich ihrn früher nicht genauer gekannt. Vor kurzem hat er mir(?) allhier ein Concert gegeben worin aufmunternder Beyfall ihm reichlich zu Theil wurde. Jacobsen, so heißt der junge Mann, scheint mir recht talentvoll zu seyn, der bey gehöriger Unterweisung zweifelsohne ein tüchtiger Geiger zu werden verspricht. Die technische Fertigkeit ist nicht unbedeutend und die Intonation sehr brav. Das Mangelhafte in seinem Spiele möchte wohl mehr auf Rechnung seiner bisherigen Lehrer zu schieben seyn. In Uebrigen ist er sehr bescheiden und besitzt er undendlich viel2 Fleiß und Ausdauer, so daß ich hoffen darf, daß, wenn sonst keine Hindernisse im Weg seyn sollten, Sie ihn gern unter die Zahl Ihrer Schüler aufnehmen werden. Augenblicklich ist derselbe in Kopenhagen, wo ihm die Aussicht geworden vom Könige ein Stipendium zu erhalten. Sein Vorsatz ist auf jeden Falle schon im nächsten Monat nach Kassel abzureisen in der frohen Aussicht seinem heißen Wunsch, unter Ihrer unschätzbaren Leitung seine ferneren Studien machen zu können, erüllt zu sehen und erlaube ich mir Ihnen denselben zur freundlichen Aufnahme angelegentlichst zu empfehlen.
Schließlich habe ich Ihnen noch ein Anliegen meinerseits vorzutragen. Seit zwei Jahren habe ich nemlich allhier eine Liedertafel gegründet, die sich eines guten Fortgangs erfreut. Die Zahl der Sänger ist bereits auf 85 gestiegen. Mit besonderer Vorliebe singen meine Sänger Ihre Kompositionen und ist daher doppelt der Wunsch in mir rege geworden ein vierstimmiges Liedchen von Ihnen zu besitzen; welches eigens für meine Liedertafel geschrieben sey,3 auf die Erfüllung meiner Bitte – welche freylich ein bißchen stark an Unverschämtheit grenzt – würde Sie nicht allein mich sondern alle meine Sänger sehr erfreuen und verbinden und möchte ich, wenn Sie überhaupt derselben Gehör schenken, dabey die Bemerkung mir erlauben, daß ein leichtes für starken Chor berechnetes Lied besonders wünschenwerth sey.
Mit ausgezeichneter Hochachtung verspricht sich Ihnen
 
Ihr ganz ergebenster
EMarxsen
 
Altona
d. 18t April 1844

Autor(en): Marxsen, Eduard
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Jacobsen, Johannes
Kopff, Theodor
Erwähnte Kompositionen:
Erwähnte Orte: Altona
Ritzenbüttel
Erwähnte Institutionen: Liedertafel <Altona>
Musikschule <Ritzenbüttel>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1844041844

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf Spohr an Marxsen, 10.10.1843.
 
[1] Zu Theodor Kopff als Lehrer von Johannes Jacobsen vgl. „Notizen”, in: Allgemeine Wiener Musik-Zeitung 3 (1843), S. 272; zu seiner Musikschule vgl. „Feuilleton”, in: Allgemeine musikalische Zeitung 44 (1842), Sp. 684; „Neue Unterrichtsanstalt für Violine”, in: Jahrbücher des Deutschen Nationalvereins für Musik und ihre Wissenschaft 4 (1839), S. 320.
 
[2] „viel” über der Zeile eingefügt.
 
[3] Hier gestrichen: „und”.
 
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (17.11.2016).