Autograf: Universitätsbibliothek Kassel – Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Dr Louis Spohr
Maître de Chapelle
à Cassel

nebst einem Päckchen Musikalien1 in Wachspapier
sig: L.S. Cassel.2


Dresden, am 2ten April. /44.

Hochverehrter Meister!

Ich kann mich kaum schmeicheln dass Sie sich an meinen Namen erinnern werden. Vor ein Paar Jahre habe ich eine Bitte an Sie, durch die hiesige Arnoldische Buchhandlung gerichtet, die Partitur Ihres herrlichen Oratoriums „The Crucifixion“3 betreffend.4 Durch Ihre Güte habe ich dieselbe in Abschrift5 erhalten, nebst einem Mss von Ihnen, aus „der Weihe der Töne“, beides, insbesondere aber letzteres, schätze ich schon hoch, und hätte mich damals schon bedankt, wenn ich der deutschen Sprache mächtig genug gewesen wäre. – Genehmigen Sie jetzt meinen besten Dank für das kostbare Geschienk. –
Als Componist werden Sie mich wohl gar nicht kennen, da ich bisher nur wenig in Deutschland herausgegeben, und zwar in Leipzig, wo meine Werke mit Fleiß unterdürckt worden sind, mittels eine gewisse Cabale die ausschließlich meinen Landtmann Bennett (dessen Verdienst ich mit Vergnügen anerkenne) unterstützt. – Sie werden mir doch die Freiheit verzeihen, hoffe ich, wenn ich mich jetzt an Sie wende, mit einer neuen Bitte. In Norwich, vor vier oder fünf Jahren, bei der Aufführung Ihrer unsterblichen „Letzten Stunde“, habe ich die Ehre gehabt einige deutsche Worte mit Ihnen zu wechseln. Das haben Sie wohl vergessen; ich war sehr jung, aber auch damals ein großer Verehrer Ihres Genies.
Es ist jetzt in Edinburgh eine Stelle, die des Professors der Tonkunst, frei geworden,6 und ich will gern darüf anhalten. ich habe zwar7 viele Freunde dort, allein eine Empfehlung von einem deutschen Tondichter bringt das höchste Gewicht mit sich; deshalb wage ich ein Paar Zeilen von Ihnen mir auszubitten, wenn Sie vielleicht doch genug von mir, und meinen Fähigkeiten, wissen, um solches mit guten Gewissen zuschreiben.8 – Ich habe bereits drei Jahre die Musik in Dresden, Leipzig, Berlin, und Wien, eiftig studirt; und möchte zu gern Etwas von meinen Erwerbnissen in meinem Vaterland benutzen. –
Wenn Sie so gütig seyn wollten, und mir9 eine kurze schriftliche Empfehlung geben, wird es für mich, vielleicht für mein ganzes Leben, von der10 schönsten Wirkung seyn; denn der Name von Spohr steht in England unter den höchsten. – Da Sie wohl keine von meinen Compositionen kennen werden, nehme ich die Freiheit Ihnen welche hiermit11 zuübersenden, in der Hoffnung Sie mögen vielleicht etwas darinnen finden war Ihre Unterstzütung dem jungen Künstler versichern wird.

Mit der größten Hochachtung
Ihr ergebenster
Henry Hugh Pearson.

Autor(en): Pierson, Henry Hugh
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Bennett, William Sterndale
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Des Heilands letzte Stunden
Spohr, Louis : Die Weihe der Töne
Erwähnte Orte: Berlin
Dresden
Leipzig
Norwich
Wien
Erwähnte Institutionen: Norfolk and Norwich Triennial Festival
Universität <Edinburgh>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1844040244

Spohr



Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Pierson an Spohr, 03.01.1850.

[1] „Musikalien“ über der Zeile eingefügt.

[2] Auf dem Adressfeld befindet sich links oben der Poststempel „DRESDEN / 3. APR. 44.“, auf der Rückseite des zusammengefalteten Briefs befinden sich die Stempel „MÜHLHAUSEN / 4. APR.“ und „5[AP]R1844“.

[3] Des Heilands letzte Stunden.

[4] Vgl. Arnoldische Buchhandlung an Spohr, 22.04.1841.

[5] „in Abschrift“ über der Zeile eingefügt.

[6] „geworden,“ über der Zeile eingefügt.

[7] Hier gestrichen: „f“.

[8] Da Pierson in seinem Folgebrief zwar die Professur in Edinburgh erwähnt, die er tatsächlich für ein Jahr bekleidete, jedoch kein Zeugnis von Spohr, erhielt er dies vermutlich nicht. Zu diesem Zeitpunkt hatte Spohr bereits für William Sterndale Bennett (03.01.1844) und Samuel Sebastian Wesley (30.01.1844) Zeugnisse zur dieser Bewerbung ausgestellt.

[9] Hier gestrichen: „etwas“.

[10] „von der“ über gestrichenem „die“ eingefügt.

[11] „hiermit“ über der Zeile eingefügt.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (08.03.2023).