Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Sondershausen, am
2. April 1844.

Wohlgeborner Herr,
Hochgeehrtester Herr Capellmeister!

Ihr für mich so erfreuliches Schreiben vom 18. Februar hat aufs Neue meine Achtung und tiefe Verehrung gegen Sie erneuert. Als Mann von so vieler Einsicht und Schafsinn müssten Sie mir die Sache recht ernst ans Herz legen, um vielleicht später den begangenen Schritt nicht zu bereuen. Ihren gütigen Wink, mit meinem bisherigen Lehrer1 nochmals zu Rathe zu gehen, habe ich befolgt, und sein Urtheil ist, dass ich bei fortgesetzen Reife gewiß einmal die musikalische Laufbahn mit gutem Erfolge betreten und unter Ihrer fernern Leitung etwas Erfreuliches leisten werde. Es sei fern von mir, mich hier loben zu wollen; doch das kann ich Ihnen sicherlich schreiben, dass ich die technischen Schwierigkeiten des Instruments ziemlich überwunden habe und daher die angenehme Hoffnung hege, Ihren Anforderungen bei der Aufnahme eines Schülers zu genügen, dass mir natürlich in der Vortragsweise noch viel! viel! abgeht, ist gar keine Frage. Wie ich Ihnen bereits geschrieben, ist meine Liebe und Eifer für die Sache groß, und in den letzten Jahren habe ich oft, möchte ich sagen, das Spiel übertrieben, da meine förmlich durchgespielten Finger auch veranlaßten, das Instrument auf einige Tage aus der Hand zu legen. – Unter diesen Umständen nehme ich Ihr gütiges Anerbieten, mich als Schüler aufzunehmen an und werde also spätestens mit dem 1. Mai in Cassel eintreffen. Sollte ich übrigens durch Schulangelegenheiten, wie ich zwar nicht hoffe, bis über den 1. Mai in Sondershausen gefesselt sein, so gebe ich Ihnen binnen vierzehn Tage Antwort. Vor meiner Abreise wird noch Herr Walbrül mit mir im Schauspielhause die von Ihnen herausgegebene „Premiere Concertante pour deux Violons“ spielen, wovon ich einen günstigen Erfolg erwarte. Ich lebe nun schon seit 9 Wochen in den freudigsten Erwartungen und mit Sehnsucht erwarte ich die Stunde, in welcher ich den Mann werde kennen lernen, der mein fernerer Führer werden soll.
Es unterzeichnet sich mit der ausgezeichnetesten Hochachtung

Ew. Wohlgeb.
ergebenster Diener,
Carl Haessler

Autor(en): Haessler, Carl
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Walbrül, Johann
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Konzerte, Vl 1 2 Orch, op. 48
Erwähnte Orte: Kassel
Sondershausen
Erwähnte Institutionen: Hofkapelle <Sondershausen>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1844040240

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf den derzeit verschollenen Brief Spohr an Haessler, 18.02.1844. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Haessler an Spohr, 20.02.1845.

[1] Johann Walbrül.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (20.07.2020).