Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Coblenz den 5ten März 1844,

Hochgeehrter Herr Capellmeister!

Bei meinem Abschiede von Ihnen war es mir nicht möglich, meinen Dank in solchen Worten auszusprechen, wie es wohl mein Herz fühlte. Ihre Güte und Liebe gegen mich hat mich zu sehr gegen Sie verpflichtet, als daß ich jemals hoffen darf, meinen Dank in allem Maße abzustatten. Waren Sie auch nicht mein unmittelbarer Lehrer, so haben Sie doch in den freien Stunden, in dem ich die Ehre hatte, in Ihrer Gesellschaft zu sein und durch die belehrenden Worte, die Sie bei meinen Arbeiten hinzufügten, so viel auf mich gewirkt, daß ich mich dreist zu Ihren Schülern zählen dürfte. Zum wenigsten erkläre ich mich für Ihren wärmsten Anhänger, die vielleicht in der musikalischen Welt ein Kleines dazu beizutragen kann, die Werke seines unsterblichen Meisters zu verbreiten, wenn es überhaupt dessen bedarf.
In diesem Augenblicke fühle ich mich glücklich, Ihnen durch einen kleinen Dienst nützlich sein zu können.
Sie suchen schon seit lange die Original-Partitur von Ihren „letzten Dingen.“1 Durch Nachfragen und gelegentliches Nachforschen bin ich derselben auf die Spur gekommen. Sie ist in den Händen des Musikdirektor Rietz in Düsseldorf. Der hies. Musikdirektor Anschütz hat sie selbst bei ihm gesehen und in den Händen gehabt und mir fest versichert, daß es die Original-Partitur war, da er Ihre Hand genau kennt. Sie dürfen also mit Bestimmtheit dieselbe von pp. Rietz fordern, bitte aber, mich dabei nicht zu verrathen, da es mir vielleicht auf meinen künftigen Lebenswegen schaden könnte.
Mit der Beschreibung meiner hies. Verhältnisse will ich Sie jetzt nicht belästigen2; mein Freund Drescher3 wird Sie aber bei Gelegenheit damit bekannt machen, wenn es Sie interessirt. Viel Erstaunliches werden Sie nicht erfahren.
Mit der Bitte, mich Ihrer Frau Gemahlin zu empfehlen, und mich in geneigtem Andenken zu behalten, zeichne ich mit Hochachtung und wahrer Verehrung
Ew. Hochwohlgeboren

dankbarer
Louis Liebe.

Autor(en): Liebe, Louis
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Anschuez, Joseph Andreas
Drescher, Emil
Rietz, Julius
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Die letzten Dinge
Erwähnte Orte:
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1844030540

Spohr



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Liebe an Spohr, 02.06.1842. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Liebe an Spohr, 10.01.1846.

[1] Vgl. Anzeige von Louis Spohr, Ende Februar 1843.

[2] Zu Liebe in Koblenz vgl. Karl Aug[ust] Krauß, „Ludwig Liebe. Skizze“, in: Neue Musik-Zeitung 10 (1889), S. 281f., hier S. 281.

[3] Liebe und Drescher unterrichteten gemeinsam an der Sallmann’schen Schule in Kassel (vgl. Casselsches Adreß-Buch (1844), S. 48 und 143).

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (20.08.2021).