Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Sr Wohlgebor.
Herrn Louis Spohr, Doctor
der Tonkunst, Chufürstlicher Hof-
Kapellmeister et. et
zu
Cassel
 
franco
 
 
Innsbruck am 14/244
 
Hochverehrtester Herr!
 
Die Freude, welche Sie mir durch Ihr verehrtes Schreiben vom 3. d.M. bereiteten, durch Worte auzudrücken, dazu wäre die Sprache zu arm. Nehmen Sie daher den einfachen ungekünstelten Ausdruck des herzlichsten Dankes in der potenzirtesten Bedeutung für die mir erwiesene große Ehre und Freundschaft. Auch Ihre Frau Gemahlin bitte bitte ich den wärmsten Dank für die wirklich mühevolle Zusammenstellung des Verzeichnißes auszudrücken. Diese Autographe werden mir Zeit Lebens eine heilige Reliquie seyn: Glas und Rahmen stehen schon in Bereitschaft. Auch bin ich Ihnen sehr verbunden für die Aufklärung wegen der bewußten Passage; von selbst wäre ich auch diesen Vortheil nicht gekommen, und ich muß sagen, daß mir diese Stelle nun gar keine Schwierigkeit mehr macht, und daß die Wirkung imposant ist.
Wochentlich einmal oder zweimal haben wir musikalische Privatunterhaltung, wo die Luft vom ettischen und inischem Hörpöbel0 rein seyn muß, und da, versteht sich’s von selbst, darf der Großmeister Spohr nicht fehlen. Freilich würden Sie sich manchmal in die Haaren kragen über die Aufführung, allein wir spielen doch so zusammen, daß man Ihre Musterschöpfungen in ihrer ganzen Größe würdigen kann. Von einer Vollkommentheit ist keine Rede, aber sie1 geben schon auch hie und da zu harte Nüßen zum Aufknacken. Vorzüglich die langen Striche, und der sanfte unvermerkte Lagenwechsel will meinen Begleitern nicht recht gelingen. Nächstens werden wir in der Namenlosen (eine aus 130 Personen bestehende Privatgesellschaft) Ihr göttliches Doppelquartett in E moll aufführen, daß wird wieder ein Hochgenuß werden! Das spiel ich gar zu gern, denn es ist nicht gar zu schwer, und strotzt von Harmonie- und Melodie-Schönheiten. –
O! könnte ich so glücklich seyn, das 11te Concert von Ihnen zu hören! 8 Tage bei Wasser und Brod würde ich mit Vergnügen dafür aushalten. Allein die Hoffnung, den Ersten deutschen Meister zu sehen und zu hören, gebe ich noch nicht auf, und wenn es mir immer nicht unübersteigliche Hindernisse gibt, wie sie mir gegenwärtig wirklich drohen; so werde ich mir dieses große Vergnügen für den heurigen Herbst in Aussicht stellen. Da aber auch Sie in Ihrem geehrten Schreiben die Möglichkeit, meine Heimath zu ehen, nicht ausschließen, so kann ich Sie versichern, daß Sie eine Reise durch Tirol, Innsbruck, Meran, Bozen etc. etc. nicht gereuen wird. In Südtirol ist der Herbst, September und October sehr interessant. Auch das Clima, wenn Sie gutes Wetter erwarten(?), wird Ihnen behagen. Tirol ist nicht so wild, wie es im Auslande häufig verschrien wird, der Beweis hievon liegt einfach darin, daß alle jene, welche hieher kommen, u. sich nur einige Zeit heimisch gemacht haben, nicht mehr zu vertreiben sind. – Daß ich alles aufbiethen würde, um Ihnen den Aufenthalt in Innsbruck so angenehm als möglich zu machen, darüber werden Sie keine Versicherung verlangen.
Doch ich will Sie nicht länger belästigen, und schließe unter Wiederholung des wärmsten Dankes für die große Freundschaft, die Sie und Ihre Frau Gemahlin mir, als ganz fremde Menschen, erwiesen, mit dem sehnlichsten Wunsche, Ihnen einen Gegendienst erweisen zu können, und mit der Versicherung, daß Sie mich, wahrhaft beglücken würden, wenn Sie mir hiezu eine Gelegenheit verschaffen.
Mit ausgezeichneter Hochachtung, zeichne ich mich als
 
Ihren
dankbar ergebensten
O Dr. Ant. Gröber

Autor(en): Gröber, Anton
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen:
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Konzerte, Vl Orch, op. 70
Erwähnte Orte:
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1844021449

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf Spohr an Gröber, 03.02.1844. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Gröber an Spohr, 02.12.1855.

[0] [Ergänzung 16.03.2021:] Zum „ettischen und inischen Hörpöbel“ vgl. Kommentar zu Christian Friedrich Lueder an Spohr, 01.04.1844, Anm. 3.
 
[1] „sie” über der Zeile eingefügt.
 
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (16.09.2019).