Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287


Catlenburg am 5ten Februar 1844.

Ihr liebes Schreiben vom 3ten, mein innigst verehrtester Gönner! habe ich mit herzlicher Dankverehrung erhalten! – Leider ist mein Grippe-Zustand seit meinem letzten Schreiben eher verschlimmert als verbessert! –
Allerdings wäre ich ohne diesen leidigen Stuben-Arrest Ihrer liebevollen Benachrichtigung nun noch um so lieber gefolgt, als das Concert noch Ihre herrliche Ouvertüre, – (zur Braut von Messina, nach meiner Lesart,)1 – ein Mahl wieder vorführte, u meine Sehnsucht, mich darann von neuem zu entzücken, schon lange recht groß war!2
Die Symphonie von Gade hätte ich gern gehört! – Mein Trost soll seyn, daß, – wenn auch Sie bey vollendeter Ausführung eine wirklich characteristisch neue Tendenz wahrem Genius darin noch weiter erkennen sollten, – Sie vielleicht nicht unangemessen machten, das ohne Zweyfel doch mit gar manchen Mühen erst einstudirte Werk in einem späteren Concerte zu wiederholen; u mein Glückstern solchen nordischen Meteor alsdann hoffentlich freundlicher zu gewandt sey, als dieses Mahl! –
Auch das Dortseyn das sehr verehrungswerthen Aloys Schmitt versäume ich höchst ungern! – – Haben Sie die Güte; ihn auf das herzlichste von uns zu begrüßen! – u ihm meine innigste Theilnahme an der begeisterten Aufnahme u Würdigung seiner beyden neuesten großartigen Werke auszudrücken, wie meine große Spannung, solche kennen zu lernen! – Werden Sie das „Osterfest von Paderborn“ nicht auf das dortige Repertoir zu bringen suchen – ? – Wäre es, so würden3 durch die Benachrichtigung der Aufführung demnächst mich sehr verpflichten! –
Nach den Hannoverschen Fremden-Listen sind daselbst jetzt im Brittish-Hôtel versammelt: Villmers, Prume4, „Künstler Schreiber aus Paris“, Fräulein Birch – u Liszt wird erwartet!5
Also – ein wahrhaft großartiger Carneval in solcher Residenz eines unläugbar sehr kunstsinnigen Hofes! –
Es thut mir ein so überhäuftes Zusammentreffen für die verdienstvollen Künstler selbst aber doch leid! – u besonders auch, daß gleichzeitig unter sehr eifriger Stütze des französischen Gesandten ein Pariser Reiterbande zu 15 Vorstellungen eingezogen ist, die von Seiten der Schönheit, Eleganz u Kunstfertigkeit der Pfere wie deren jungen Reiterinnen alles überstrahlen soll, was bisher der Art bey uns gesehen worden! –
Eine so überhäufte Concurrenz der Abend-Unterhaltungen, neben nach einer wenigstens theilweise höchst vortreffl. Besetzung der Oper wie des Schauspiels, ist für Hannover offenbar zu groß, um auch den verdientesten u ausgezeichnetesten fremden Virtuosen nicht nachtheilig zu werden! – denen ich so gern der beste wünschen mögte! –
Ein Glück ist noch die dort übliche Erleichterung deren Auftretens im Theater gegen feste Honorare, die denn wenigstens gegen Schaden sichert. Prume hat schon heute Abend im Theater ein solches Concert gegeben, nach vorangegangenem Lustspiele. –
Meine Frau, die Ihre freundliche Grüße herzlich dankbar erwidert u Ihrer theuren Frau Gemahlin mit mir sich herzlichst empfiehlt, ist so wohl, daß sie bey weiterer bestimmterer Nachricht des interessanteren Hannoverschen Concerttage wahrscheinl. den Einladungen ihrer dasigen Geschwister ein Mahl zu folgen6 vermag; was mich sehr erfreuen würde. –
Mit innigster Dankbarkeit

Ihr
wärmster Verehrer
CFLueder.

Meine Hinfälligkeit hat mich erst heute, d 6/2 44 diese wenigen Zeilen schließen lassen! –



Dieser Brief ist die Antwort auf den derzeit verschollenen Brief Spohr an Lueder, 03.02.1844. Der nächste erschlossene Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Lueder, 08.03.1844.

[1] Vgl. „Ich war um einen Titel der Ouverture verlegen. Die hiesigen musikalischen Freunde meinten zwar, sie passe ihrem Inhalte nach zur ,Braut von Messina’.“ (Spohr an Felix Mendelssohn Bartholdy, 23.01.1843).

[2] Zum Konzert am 07.02.1844 vgl. O[tto] K[raushaar], „Cassel, im April 1844“, in: Allgemeine musikalische Zeitung 46 (1844), Sp. 321-324 und 333-337, hier Sp. 321f.;

[3] Hier ein Wort gestrichen („Sie“?).

[4] Zu den Auftritten von Willmers und Prume vgl. „Hannover“, in: Neue Zeitschrift für Musik 20 (1844), S. 80.

[5] Vgl. „Hannover, den 7ten April“, in: ebd., S. 139.

[6] Hier gestrichen: „wird“.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (12.03.2021).