Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Hochwohlgeborner Herr,
Hochzuverehrender Herr Capellmeister!

Schon in den frühesten Jahren meiner Kindheit regte sich in mir eine besondere Neigung und Lust zur Musik und mein Vater, Cantor zu Holzthaleben, gab willig und gern meiner Bitte Gehör, mir Unterricht auf der Geige und dem Klaviere zu geben. Zwei Jahre hatte ich vielleicht gespielt, als er mich für befähigt hielt, an den musikalischen Übungen seines von ihm gebildeten Musikchores Theil nehmen zu können. Dies war eine passende Gelegenheit, meinen Eifer noch mehr anzuspornen und mit freudigen Gefühlen schritt ich jedesmal zu diesen Übungen. Mein Vater erkannte zwar meine Liebe für die Sache, doch es lag ja in seinem Plane, mich einmal zum Schullehrer heranbilden zu lassen und betrachtete es nur als Nebensache. In dieser Absicht brachte er mich auf das Gymnasium zu Sondershausen, (ein eigentliches Seminar bestand damals noch nicht) und immergleich(?) mit vielen Lehrstunden und häuslichen Schularbeiten beladen, ließ ich die Geige nicht außer Acht; der Cammermusikus Ludewig, zu der Zeit einer von den besten Geigern hier ertheilte mir Unterricht und später, als ich in der Schule weiter vorgerückt war, bekam ich Gelegenheit im Orchester unter der Leitung des Herrn Capellmeister Hermstedt mitzuwirken. Zu meiner weitern Ausbildung verschrieb ich mir die von Ihnen rühmlichst bekannte Violinschule, studirte dieselbe, so viel in meinen Kräften stand durch, fand aber gar bald, dass zu deren Durchführung ein tüchtiger Lehrer gehöre. Eine höchst wünschenswerthe Erscheinung war es mir daher, als vor zwei Jahren Herr Wallbrül als Cammermusikus hieselbst angestellt wurde. Ein allgemeines Lob als Geigenspieler nährte den Gedanken in mir, bei ihm Unterricht zu nehmen, und nach einem Probespiel war derselbe geneigt, mir denselben bei dem nöthigen Fleiße zu ertheilen. Dieß konnte ich ihm versprechen da ich seit zwei Jahren als Hülfslehrer an der Realschule angestellt bin und eine mäßige Stundenzahl zu halten habe. Durch meinen Fleiß und genaue Befolgung alles Gelehrten erwarb ich mir die Zufriedenheit meines Lehrers, der sich sofort die größte Mühe mit mir gab und mich auf angemessene Weise anzusponen wußte. 1¾ Jahre habe ich nun seinen Unterricht genossen, habe unter seiner Leitung die erwähnte Violinschule und mehrere von Ihnen herausgegebene Conzerte, Soloquartetten und Duetten durchgearbeitet und nun gibt er mir den freundschaftlichen Rath mich an Sie, hochverehrtester Capellmeister zu wenden und Sie ergebenst zu bitten, ob Sie nicht die Gewogenheit haben wollten, auf dem Grunde, den er gelegt, weiter zu bauen. Meine Verehrung und Vertrauen zu Ihnen ist groß und nehmen Sie im Voraus die Versicherung, dass es mein eifrigstes bestreben sein wird, Ihren Beifall zu erlangen. Meine Vermögensumstände sind zwar nicht die besten zu nennen, doch mein Vater, der seinen Sohn durch diesen Schritt glücklich zu machen und an ihm dann eine Stütze zu finden glaubt, wird keine Opfer scheuen, den gedachten Plan zu verwirklichen. Mit Ostern, einem abgeschlossenen Schuljahre kann ich aus der Schule austreten und ich erlaube mir daher die Bitte, mir doch baldigst Nachricht mitzutheilen, ob ich die freudige Hoffnung hegen kann, mich Ihres künftigen Schülers nennen zu dürfen, damit ich meinen Voresetzten meine Ausscheidung mittheilen kann. Zugleich bitte ich ergebenst, mir doch den etwaigen Kosten bei einemjährigen Aufenthalte in Cassel mitzutheilen. – Herr Wallbrül, der sich Ihnen bestens empfehlen lässt, hielt es jetzt nicht für nöthig, ein weiters Urtheil über mich Ihnen vorzulegen und will es daher bis zu meiner [etwa]igen Abreise, die Sie zu ganz zu bestimmen haben, versparen.
In der größten [???]tion nenne ich mich

Ew. Hochwohlgeboren
ergebensten Diener,
Carl Häßler, Hülfs-
lehrer.

Sondershausen, am
26 Januar 1844.

Autor(en): Haessler, Carl
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Haessler, Carl Benjamin
Hermstedt, Johann Simon
Ludewig (Sondershausen)
Walbrül, Johann
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Violinschule
Erwähnte Orte: Sondershausen
Erwähnte Institutionen: Hofkapelle <Sondershausen>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1844012640

Spohr



Spohrs Antwortbrief vom 18.02.1844 ist derzeit verschollen.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (20.07.2020).