Autograf: Národní muzeum – České muzeum hudby Praha [Nationalmuseum – Tschechisches Musikmuseum Prag] (CZ-Pnm), Sign. G 3121

Seiner Hochwohlgeb.
dem Herrn Baron von Lannoy
in
Wien
Stadt Nro 1142.1


Cassel den 7ten Januar
1844.

Hochgeehrter Freund!

Ich bedauere Ihnen für Ihre dießjährigen Concerte nichts Neues zur Aufführung offeriren zu können, da ich seit der Rückkehr aus England mit der Komposition einer großen Oper beschäftigt bin, die die wenige Zeit, welche ich der Komposition widmen kann, ausschließlich in Anspruch genommen hat. Von Ouverturen oder Sinfonien ist daher nichts neues entstanden. An Chören und Fugen aller Art ist zwar mein neues Oratorium „der Fall Babylons“ sehr reich, doch wünschte ich natürlich lieber eine vollständige Aufführung in Wien, als daraus Bruchstücke gegeben zu sehen. Vielleicht ließe sich jedoch eine Scene daraus in Zusammenhang geben, da Ihnen Staudigel seine Mitwirkung zugesagt hat. Dieser sang nämlich den Cirus bey einer der Aufführungen in London2 und zwar so vortrefflich, daß er alle seine Musikstücke da Capo geben mußte. Außer ihm haben Sie gewiß noch3 über einige gute Sänger zu verfügen und so läßt sich leicht eine Scene auswählen, die ein Ganzes für sich machte. Staudigel, dem das Werk bekannt ist und der auch Ihre Mittel, so wie den Geschmack des Publikums kennt, wird es bestens rathen können. Leider kann ich Ihnen aber Partitur und Stimmen dazu nicht borgen, da ich sie gegen Ostern selbst gebrauche. Auch dürfte ich Sie wohl nicht einmal verbergen, daß das Werk jetzt vollständig in Partitur, Clavierauszug, Gesang- und Orchesterstimmen bey Breitkopf und Härtel gestochen ist.
Was Ihre Opern betrifft, so wünschte ich, daß Sie sich gefälligst direkt an unsere Intendanz wenden, da der Prinz4 seit einiger Zeit sich selbst die Bestimmung und Auswahl der neuen Opern und Schauspiele vorbehalten hat und es, wie ich jetzt mit ihm stehe, hinreicht, daß etwas nicht genommen wird, wenn ich es als gut erkläre.
Von Herrn Mosenthal habe ich vor einigen Tagen ein Gedicht „der alte Matrose“ mit Musik von Hackel zugeschickt erhalten.5 Da mir seine Adresse unbekannt ist, so darf ich Sie wohl um die Gefälligkeit bitten, ihm meinen Dank, sowohl für die Zueignung wie für die gütige Übersendung des Gedichts zu sagen.
Mit der Bitte uns Ihrer Frau Gemahlin angelegentlichst zu empfehlen,
mit wahrer Hochachtung und Freundschaft ganz

der Ihrige
Louis Spohr.

Autor(en): Spohr, Louis
Adressat(en): Lannoy, Eduard von
Erwähnte Personen: Friedrich Wilhelm Hessen-Kassel, Kurfürst
Mosenthal, Salomon Hermann
Erwähnte Kompositionen: Hackel, Anton : Lieder, Sgst Kl, op. 88
Spohr, Louis : Der Fall Babylons
Erwähnte Orte:
Erwähnte Institutionen: Concerts spirituels <Wien>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1844010715

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf Lannoy an Spohr, 25.12.1843. Der nächste erschlossene Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Lannoy, 08.11.1845.

[1] Auf dem Adressfeld befindet sich rechts oben der Poststempel „CASSEL / 7 / 1 / 1843“, links unter dem Adressfeld der Stempel „WIEN / 14 JAN“.

[2] Zu den beiden Londoner Aufführungen von Der Fall Babylons 1843 in den Hannover Square Rooms und der Exeter Hall vgl. Karl Traugott Goldbach, „Zwei Aufführungen von Der Fall Babylons. Einblicke in das Londoner Konzertmarketing 1843“, in: Musikwissenschaft Leipzig. Eine (Quellen)Texte-Sammlung des Zentrums für Musikwissenschaft Leipzig, Leipzig 2021.

[3] „noch“ über der Zeile eingefügt.

[4] Der Prinzregent und spätere Kurfürst Friedrich Wilhelm.

[5] Dieser Brief ist derzeit verschollen. Bereits am 15.04.1843 sandte Mosenthal Spohr ein von Anton Hackel vertontes Gedicht „Der Deserteur“ zu.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit nicht in den Anmerkungen anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (05.10.2021).