Autograf: derzeit verschollen
Abschrift: Computerdatei von Herfried Homburg († 2008)
Druck: [Paul Zimmermann], „Louis Spohr und Braunschweig“, in: Braunschweigisches Magazin (1909), S. 109-117, hier S. 112 (teilweise)

Cassel, den 17ten Dez.
1843
 
Lieber Wilhelm,
 
So sehr ich auch schon seit längerer Zeit auf die Nachricht von des Vaters1 Tode vorbereitet war, so hat sie mich doch sehr schmerzlich ergriffen! Wir Geschwister wurden so oft glücklich gepriesen, bei so vorgerückten Jahren noch beide Eltern zu besitzen; nun haben wir sie, so bald nacheinander beide verloren.2 In dem Zustande wie ich den Vater das letzte Mal sah, konnte ich mich freylich nicht über sein Leben freuen und man mußte fast wünschen ihn bald zur Ruhe kommen zu sehen. Sein Andenken wie das der guten frommen Mutter wird uns aber stets heilig sein! Sie haben ihre Kinder wahrhaft geliebt und ihnen manches Opfer gebracht. Ich freue mich mit Dir, daß Du und Deine Hausgenossen3 ihn in seinen letzten Tagen verpflegen konntet und wir andern Brüder werden Euch dafür ewig dankbar seyn!
[Wir hier in Cassel befinden uns sämtlich wohl, soviel Krankheiten hier auch grassieren, besonders bösartige Nervenfieber. Idas Kinder sind sämtlich wiederhergestellt. - Ohnlängst hatten wir einen Brief von Emilie.4 Sie hat nach ihrer Krankheit lange Zeit gebraucht, um sich ganz wieder zu erholen; ist nun aber wieder ganz zu Kräften gekommen. Sie schreibt viel Erfreuliches von ihrem Kinde, unter anderm, daß sich bei ihr eine schöne Stimme entwickelt und sie Aussicht habe, sie zu einer ausgezeichneten Sängerin ausbilden zu können. Sie ist völlig erwachsen, groß, stark und blühend. - Mit Zahns Geschäft würde es noch besser gehen, wenn er es weiter ausdehnen könne. Da ich nun von zuverlässigen Leuten in New York, durch den amerikanischen Konsul in Frankfurt, günstiges über Zahns Verhältnisse erfahren habe, so habe ich endlich Emiliens Bitten nachgegeben und ihm nochmals ein Kapital von 1.000 Rth vorgeschossen, hauptsächlich, weil sie die Hoffnung ausspricht, daß sie durch Erweiterung des Geschäfts soviel gewinnen würden, um nach einer Reihe von Jahren vermögend in die Heimat zurückkehren zu können. Der Himmel gebe, daß ihre Erwartungen nicht wieder getäuscht werden!]5
Ich habe, um den traurigen Winter besser überstehen zu können, wieder eine große Arbeit begonnen und auch schon ein Dritteil davon vollendet. Es ist dies nach langer Pause wieder eine Oper, wozu mir Marianne nach einem alten Kotzebueschen Schauspiel „Die Kreuzfahrer“ den Text gemacht hat. Heute Vormittag haben wir mit Hülfe unserer musikalischen Freunde den 1sten Akt probirt. Die Oper hat deren 3 und ist eine sogenannte große Oper ohne Dialoge.
Lebe wohl und grüße herzlichst die Deinigen
 
Mit brüderlicher Liebe stets
Dein
Louis Spohr

Autor(en): Spohr, Louis
Adressat(en): Spohr, Wilhelm
Erwähnte Personen: Spohr, Carl Heinrich
Spohr, Ernestine
Spohr, Marianne
Wolff, Ida
Zahn, Emilie
Zahn, Johann Wilhelm
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Die Kreuzfahrer
Erwähnte Orte: New York
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1843121700

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf einen derzeit verschollenen Brief von Wilhelm Spohr an Louis Spohr. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Louis Spohr an Wilhelm Spohr, 09.08.1844.
 
[1] Carl Heinrich Spohr.
 
[2] Ernestine Spohr starb am 18.07.1840.
 
[3] Louis Spohr an Emilie Zahn, 05.12.1843 zufolge neben Wilhelm Spohrs Kindern auch Louise und Wilhelm Krämer. Wilhelm Krämer war der Sohn von Louis Spohrs Schwester Caroline.
 
[4] Der Brief Emilie Zahn an Louis Spohr, 15.09.1843 ist derzeit verschollen.
 
[5] Dieser eingeklammerte Teil ist nur durch die Abschrift von Herfried Homburg überliefert und fehlt im Druck.
 
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (15.08.2017).