Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Sr Hochwohlgebohren dem Herrn
Herrn Hof Kapellmeister
Louis Spohr
in
Cassel.

Eigenhendig


Hochgeehrtester Herr Kapellmeister!

Da daß Wetter gestern so sehr Schön war so frug ich meinen Arzt der übrigens(?) 2 Uhr kam, ob ich wohl ein wenig Ausgehen dürfe, und als er mir sagte einhalbeß Stündchen dürft ich wohl gehen, so machte ich mich auf den Weg zu Ihnen mein Geehrtester Herr Kapelmeister, den deßhalb wünschte ich auszugehen, weil mich mein Herz drängte Sie meinen Edlen Wohlthäter vor allem, und dem die Edle und dan die Edle guhte Frau KommerzienRäthin1 und Frau von Malzburg zu sehen, und Ihnen mündlich meinen tiefgefühltesten Herzensdank darbringen zu können, obwohl es ganz unmöglich ist daß mit Worten Auszudrücken waß mein dankbahrstes Herz für Sie fühlt. Sie sind Wahrlich der Edelste der Mäünner, daß haben Sie Unzählige Mahle, und nun auch neüerdings an mir Bewiesen, indem Sie für mich Ihnen fremde Frau thaten waß mein nächster Verwandter kaum würde gethan haben für mich. So groß und Unerreicht Sie jezt als Künstler und Tondichter sind, so groß und Edel Stehen Sie als Mensch vor den Augen der Welt die Sie bewundert. Ihnen mein Edler Wohlthäter verdanke2 nun eine doppelt große Wohlthat, den erstlich haben Sie mir dadurch daß Sie sich würdigten mit Ihrem Großen Weltberühmten Tallent und Europäischen Ruf mein Conzert zu Verherrlichen3, mir so große Einnahme verschaft, und also eine so Große Summe Geld wie ich in meinen jetzigen Verhälttnißen gar Nie hatte hoffen können mir zu Verdiehnen und auch einmahl Einzunehmen, wodurch ich nun, dank sey es Ihnen mein Edler Wohlthäter von meinen Größten und Drückensten Sorgen befreit bin. So haben Sie die Unglückliche Frau aus der Größten Noth Gerettet. Dan aber haben Sie mir als Künstlerin noch überdieß eben dadurch daß Sie mich Würdligten mir mit Ihrem Großen Tallent und Europäischen Ruhme bey meinen Conzert beyzustehen die größte Ehre und Auszeichnung vor Allen gegeben, und daß schon ist mir unschatzbahre Wohlthat. Auch haben Sie noch überdieß die Unbeschreibliche Gühte gehabt Alle Andern Sorgen und Plagen des Consertes auch noch auf Sich zu nehmen und zu besorgen und arrangieren bloß waß Nothwendig war, A l l e ß, so daß ich nichts zu thun hatte als daß bißchen Singen und daß viele Geld Einnehmen. Und Leider konte ich nicht einmahl Singen, oder doch so Schlecht daß ich darüber in Verzweiflung bin, den grade den Tag, wo ich nahmentlich und Hauptsechlich wegen Ihnen hatte gewünscht so guht wie nur möglich und mir nur in meinen Kräften stand zu Singen, grade den Tag mußte mir daß Unglück wiederfahren so auf einmahl und Plötzlich so ganz die Stimme zu Verliehren, und zwar so Schnell und Plötzlich wie ich mir gar nicht an dem selben Tag und so kurz vorher eh ich Singen mußte. Ich war auf einmahl so ganz der Stimme und Aller Mittel beraubt daß es mir nicht möglich war guht zu Singen, den wie konte ich daran denken mit Seele und mit Ausdruck und Vortrag zu singen, da ich gar nicht wußte wie ich nur einen Ton hervorbringen sollte, und da stand wie auf der Folter und als ob ich zum Tode geführt würde, den daß Schreckliche Gefühl kan ich Ihnen gar nicht Beschreiben waß ich den Abend Empfand, zum ersten und letzten Mahl hier und vor Ihnen Singen, und gar nicht zu können, auch gar nicht die Idée von dem wie ich sonst Singe wen ich Herr meiner Stimme und Mitteln bin.4 Verzheien5 Sie mir also in Ihrer Gühte auch daß mein Bester Herr Kapellmeister daß ich Schlecht gesungen habe, ich kann ja Nichts dafür, und bin ohnehin desßhalb in Verzweiflung. – Da ich zum ersten nicht daß Glück hatte Sie zu treffen, und heute wieder daß Wetter so Schlecht ist, und ich auch wieder Heißerer als Gestern bin und auch wieder mehr GliederSchmerzen habe, so nehme ich mir die Freyheit Sie mein verehrter Herr Kapellmeister mit diesem Briefe zu belästigen (verzheien sie daß er so lange wurde) da ich nicht weiß wan ich wieder wen daß Wetter wieder so bleibt die Ehre haben kan Ihnen Persönlich meine Aufwartung zu machen und meinen tiefgefühltesten Dank darzubringen, so viel nämlich, oder so wenig besser gesagt die arme Sprache es Vermag die Gefühle des Herzens zu Schildern so wie mein Dankerfülltes Herz es für Ihre Unendliche Wohltath Empfindet. Leider kann ich so gar nichts thun waß Ihnen meinen Unaussprechlichen Dank Beweisen könnte, gar nichts waß Ihnen nur irgend ein kleineß Vergnügen machen könnte, gar nichts, als für Sie Behten, täglich werd[e]6 ichGott bitten seinen Reichsten Segen auf Sie zu Schütten, und Sie und Ihre Geehrte Familie mit Glück und Gegen zu Überschütten. Gott möge Sie Lange, L a n g e Gesund und Glücklich Erhalten, zum Glück und Wohl der Menschheit [und] der Kunst. Daß soll mein und meiner Kinder tägliches Inbrünstiges Ge[bet] sein. Indem ich nun nur noch so frey bin Sie mit der Innigsten Bitte zu belästigen mir doch Ihre Unschetzbare Gühte auch ferner gühtigst Schenken, habe ich die Ehre mich Ihnen und Ihrer Liebenswürdigen Frau Gemahlin ergebenst zu Empfehlen, wellche7 mir der fremden auch so viele Gühte und freundliche Theilnahme Erwieß, und habe die Ehre mit der Größten Hochachtung und Dankbarkeit zu Verharren

Hochverehrtester Herr Kapellmeister
Euer Hochgebohren
ganz gehorsamste Dienerin
Caroline Willmann.

Cassel den 3ten Dezember 1843.

Autor(en): Willmann, Caroline
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Malsburg, Caroline von der
Pfeiffer, Susanne
Erwähnte Kompositionen:
Erwähnte Orte: Kassel
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1843120343

Spohr



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Willmann an Spohr, 14.04.1823. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Willmann an Spohr, 04.05.1844.

[1] Susanne Pfeiffer (zur Identifikation vgl. Folgebrief).

[2] „verdanke“ unter der Zeile eingefügt

[3] Vgl.: „Spohr, le célèbre violiniste et compositeur, est enfin sorti de l'apathie ou il semblait endormi a tout jamais; il a joué recemment dans un concert donné à Hesse-Cassel par Mme Willmann.“ („[Spohr, le le célèbre violiniste]“, in: Revue et gazette musicale 11 (1844), S. 69).

[4] Vgl. dagegen: „Mad. Willmann […] gab hier vor Kurzem ein Concert, in welchem Kapellmeister Spohr mehrere Piecen vortrug, ein Genuß, der uns leider jetzt nur sehr selten mehr zu Theil wird und den wir also auch der Concertgeberin zu danken haben. Diese erwarb sich durch ihren in der besten Schule gebildeten herrlichen, seelenvollen Vortrag die allgemeinste Anerkennung und es wurde derselben ein mehrjähriges Engagement bei der churfürstlichen Hofth. als Gesangslehrerin angetragen, um jug. Talente auszubilden, was hier höchst wünschenwerth und nothwendig wäre.“ („Cassel“, in: Allgemeine Theater-Chronik 13 (1844), S. 78).

[5] Sic!

[6] Hier und im Folgenden Textverlust durch Siegelaufbruch.

[7] Sic!

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (05.08.2022).