Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287
Crefeld d. 6 Oct. 1843
Hochgeehrter Herr Kapellmeister!
Mein Schwiegervater1, der sich Ihnen aufs Angelegentlichste empfiehlt, hat mir, da ich die Unterstützungsgulden für den jungen Friedrichs2 zu verwalten habe, die Beantwortung Ihrer werthen Zuschrift vom 27 Sept übertragen, und ich beginne damit, Ihnen über den von Ihnen angeführten, etwas verdächtig erscheinenden Umstand, für dessen Mittehilung wir Ihnen äußerst dankbar sind, folgende Aufklärung zu geben. Wie ich vermuthe, hat der junge Friedrichs die Noten einzusenden verschlezzt(?), denn sein Vater3 empfing sie erst am 19 Sept.; am 20t gab ich ihm das Geld, welches er am 24t per Post an seinen Sohn absandte, so daß er ungefähr zur selben Zeit, als Ihr Brief abging, angekommen, und nunmehr ohne Zweifel in Ihren Händen seyn wird. Der Gedachte hat in der Verlegenheit zu einer Nothlüge seine Zuflucht genommen, die Sie dem unerfahrnen, aber gewiß – wie ich zuversichtlich hoffe – noch unverdorbenen jungen Mann gütigst verzeihen wollen. Ueber diesen Vorfall sowohl, wie über seinen Mangel an Fleiß, habe ich ihn ernstlich zur Rede gestellt. Ich wollte meinen Brief durch den Vater einsenden lassen; mein Schwieger-Vater meinte aber4, die Arznei würde an Wirksamkeit gewinnen, wenn er sie aus Ihren Händen empfinge, weßhalb ich mir erlaube, den Brief offen hierbei zu legen. Sie werden diese Belästigung durch die gute Absicht, welche hier zum Grund liegt, gütigst entschuldigen. Ich hoffe daß meine Ermahnungen den Friedrichs zum Nachdenken und zur Besserung führen, und er Ihnen ferner nur Freude machen werde. Sollte dieß aber, wider Erwarten, nicht der Fall seyn, so würde ich es mit dem größten Danke anerkennen, wenn Sie mich od. m. Schwiegervater davon in Kenntniß setzen wollten, um wiederholt und noch energischer auf ihn einwirken zu können. Der Vater Ihres Schülers, den die Klage über Mangel an Fleiß, wie uns, überraschte, weil sein Sohn von Kindheit an so viel Eifer für die Musik zeigte und nie angetrieben zu werden brauchte, meinte,5 ob er doch vielleicht viel spiele, aber nur nicht eben das, was ihm aufgegeben und allein nützlich seyen(?); er habe immer gern mit den Musikstücken gewechselt. Ich denke daß er jetzt diesen Fehler ablegen, und zu der Einsicht kommen wird, daß Ausdauern im zweckmäßigen Ueben der kürzeste u. gradeste Weg zum Ziele ist. - Sehr erfreulich ist es von Ihnen zu hören, daß das Talent des Friedrichs ein ausgezeichnetes sey. Wir haben uns also darin nicht getäuscht. Ich will gern dafür sorgen, daß das Honorar allemal nach 12 Stunden entrichtet wird, oder kann es am Schluß in einer Summe bezahlt werden? Sie haben wohl die Güte mir durch Friedrichs hierüber gefälligen Bescheid ertheilen zu lassen. -
Kürzlich war m. Schwager Schmidt (jetzt Musikd. in Bremen, wo es ihm sehr gut geht) auf längere Zeit hier. Da haben wir viel von Ihnen gespielt, und uns wahrhaft ergötzt von Ihnen geistreichen und reitzenden Pot-pourris + Rondos für Pianoforte u. Violin. Ihre schöne u. unvergängliche Musik hat mir in meinem Lebe schon unzählige Genüsse und Gemüthserquickungen verschafft, wofür ich Ihnen im Stillen recht dankbar bin.
Mit wahrer Hochachtung
Ihr ganz ergebener
Wm von Beckerath
Autor(en): | Beckerath, Wilhelm von |
Adressat(en): | Spohr, Louis |
Erwähnte Personen: | Friedrichs (Spohr-Schüler) Friedrichs, Johann Heinrich Schmidt, Georg Wolff, Johann Nicolaus |
Erwähnte Kompositionen: | |
Erwähnte Orte: | |
Erwähnte Institutionen: | |
Zitierlink: | www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1843100647 |
Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Beckerath an Spohr, 31.08.1835. Dieser Brief ist jedoch die Antwort auf Spohr an Johann Nicolaus Wolff, 27.09.1843.
[1] Johann Nicolaus Wolff.
[2] Vorname noch nicht ermittelt.
[3] Johann Heinrich Friedrichs.
[4] „aber“ über der Zeile eingefügt.
[5] „meinte,“ über der Zeile eingefügt.
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (22.07.2020).