Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287[Schletterer,H.M.:01

Kaiserslautern, am 23ten August 1843.

Hochgeehrtester Herr Hofcapellmeister!

Ew Wohlgeboren erinnern sich vielleicht noch eines jungen Mannes Namens Schletterer aus Ansbach, der am ersten Ostertage des Jahres 1842 das Glück hatte, Sie zu sprechen.
Ich, der Schreiber dieses, habe die Ehre, jener Schletterer zu sein. Ich wagte damals den Wunsch auszusprechen, einmal der Schüler eines so hohen und von mir von frühester Kindheit so sehr verehrten Meisters zu werden. Ew. Wolgeboren hatten die Güte meine Bitte freundlich aufzunehmen, und als ich am folgenden Tage bei Ihnen gespielt hatte, mir das für mich beglückende Versprechen zu geben, mich unter die Zahl Ihrer Schüler aufzunehmen zu wollen. Die Zeit, wann ich in Cassel eintreffen sollte, war auf Ostern 1843 festgesetzt, und Sie bestimmten mir nur noch, daß ich 3 oder 4 Wochen vor meiner Ankunft daselbst, Sie davon benachrichtigen sollte.
Ich war damals noch im Schullehrer-Seminar zu Kaiserslautern, aus dem ich im Herbste 1842 nach zwei harten Studienjahren entlassen wurde. Freudig eilte ich meiner Heimath zu, in der frohen Hoffnung unter der Leitung meines früheren Lehrers meine Studien auf der Violine und in andern Zweigen der Musik fortsetzen zu können. Aber ich ward getäuscht. Mein Lehrer hatte die Stadt verlassen und widrige Familienverhältniße, sowie vorliegende Regierungsbefehle zwangen mich, wenigstens bis Ostern 1843 eine Lehrerstelle in Kaiserslautern anzunehmen. Ostern kam, aber ich ward meiner Pflicht nicht enbunden, obwohl ich von Monat zu Monat darauf hoffte. So verging mir in der peinlichsten Unruhe ein volles Jahr. Ich hatte alle Zeit, die ich meinem mühseligen Berufe abspannen konnte, meiner Kunst gewidmet; wie wenig entsprachen jedoch alle Ergebniße meines Fleises dem, was ich unter günstigeren Umständen hätte thun und leisten können. Ich hatte alle Ruhe und allen Muth verloren; der Drang nach höherer Ausbildung war zu mächtig in mir, als daß ich ihn hätte bezwinge können, und doch konnte ich ihn unter den gegenwärtigen Verhältnißen nicht befriedigen. Da entschloß ich mich noch einmal meine Aeltern, noch einmal die Königl. Regierung um Erfüllung meines heißesten Wunsches zu bitten, mich wenn auch nur auf kurze Zeit meiner Kunst einzig widmen zu dürfen. Erstere willigten nemlich ein und versprachen alles für mich aufopfern zu wollen, was nöthig wäre um meine Studien zu unterstüzen. Letztere ertheilte mir zweijährige Entlassung vom Schuldienste. Ich halte mich nun für den glücklichsten Menschen; und mein erstes Geschäft ist es, Sie, Geehrter Herr, davon zu benachrichtigen, daß, im falle Sie noch die früher mir bewiesenen gütigen Gesinnungen gegen mich hegen; ich bis Ende September oder Anfangs Oktober oder wenn Sie es überhaupt wünschen in Kassel eintreffen wollte, um als Schüler bei Ihnen einzutreten.
Sollte ich nun wirklich das Glück haben, dieses thun zu können, so ersuche ich Sie gehorsamst, mir noch vor dem 20ten Sept. (nach dieser Zeit verlasse ich K.Lautern; wohin ich mich wenden werde, ist noch ungewiß; daher diese kühne Bitte.) gütigst wissen zu lassen, ob und wann ich in Kassel nach Ihrem Wunsche eintreffen soll.
Und so schließe ich denn mit den frohesten Hoffnungen; und wünsche von ganzem Herzen, daß Sie, verehrtester Herr Hofcapellmeister, meine nochmalige Bitte um Ihren ausgezeichneten Unterricht gütig aufnehmen möchten und sehe einer bejahenden Antwort sehnsuchtsvoll entgegen.
Ich habe die Ehre mich Ihrer Gewogenheit zu empfehlen und unterzeichne hochachtungsvollst

Ihr Sie stets verehrender
H.M. Schletterer.

Adresse: H.M. Schletterer
Lehrer in Kaiserslautern
(Bairische Rheinpfalz).

Autor(en): Schletterer, Hans Michael
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen:
Erwähnte Kompositionen:
Erwähnte Orte: Kaiserslautern
Kassel
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1843082340

Spohr



Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Schletterer an Spohr, 22.03.1847.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (29.01.2019).