Marianne Spohr, Tagebuch von der Reise nach England 1843
Autograf: Spohr Museum Kassel (D-Ksp), Sign. Sp. ep. 2.2.01, Bl. 10r-11r

Montag d. 3t.

Vormittag Fr. v. M.1 und ich mit Mad. Moscheles in deren Equipage große Tour durch die Stadt zu vielen Sehenswürdigkeiten, z.B.: d. herrlichen großartigen Blumen-, Frucht- und Fischmärkten, deren jeder einen reizenden Spaziergang für sich bildet; d. Aussicht auf die Themse mit den zahllosen schönen Schiffen; d. herrliche ungeheure Westminster-Hall mit der Ausstellung großartiger Cartons v. allen englischen Malern; d. Soho-Bazar mit entzückender Aufstellung der reizendsten Waaren; dann die wundervollen Oel-Portraits der Königin Victoria und des Prinz. Albert, in einem dunklen, künstlich und sehr günstig beleuchteten Zimmer, v. Winterhalter gemalt und dgl. mehr. – Abends das herrliche philharmonische Konzert, welches alle Erwartungen übertraf.2 Der Saal schön mit 23 Kronleuchtern erhellt und voll besetzt. Spohr mit beispiellosen Enthusiasmus aufgenommen, das ganze Publikum und Orchester stand auf, was bisher nie anders als bei Fürstlichkeiten geschehen war und wirklich einen ganz feierlichen Eindruck machte. Vorzüglich bei Spohrs Concertino und bei der „Weihe der Töne“ nahm man die allgemeinste Spannung, Aufmerksamkeit und Begeisterung wahr. Die himmlische Symphonie, mit solchem Feuer und Leben vorgetragen, riß aber auch unwiderstehlich hin; der zweite Satz mußte auf dringendes Verlangen wiederholt werden. Ich mußte stets mit Wehmut an unseren guten Karl3 denken, der durch sein schönes begeistertes Gedicht solche Himmelstöne ins Leben rief! – Spohr ward nach jeder seiner Kompositionen, die er alle selbst dirigierte mit Jubel und Applaus überschüttet und ich und alle unsere anwesenden Freunde fühlten uns ganz glückselig an diesem genuß- und freudenreichen Abend.
Nachher nach langen Überlegungen wegen eines Extra-Philharm. Concerts, welches die Königin erbeten, wenn Spohr darin dirigieren und spielen wolle.

Autor(en): Spohr, Marianne
Adressat(en):
Erwähnte Personen: Malsburg, Caroline von der
Moscheles, Charlotte
Pfeiffer, Carl
Spohr, Louis
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Konzerte, Vl Orch, op. 79
Spohr, Louis : Die Weihe der Töne
Erwähnte Orte: London
Erwähnte Institutionen: Philharmonic Society <London>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1843070390

Spohr



Dieser Tagebucheintrag folgt auf den Eintrag 02.07.1843. Der nächste Eintrag ist 04.07.1843.

[1] Caroline von der Malsburg.

[2] Vgl. „Thursday, July 6“, in: Musical World 18 (1843), S. 227f.; „Philharmonic Concerts”, in: Athenaeum (1843), S. 637; Eighth Philharmonic concert“, in: Musical Examiner 1 (1843), S. 227; Spohr an Adolph Hesse, 28.08.1843.

[3] Marianne Spohrs Bruder Carl Pfeiffer, der die literarische Vorlage zu Spohrs Sinfonie Die Weihe der Töne schrieb.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (08.06.2017).