Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Münster d. 20 Juni 1843.

Hochgeehrtester Herr!

Nur in dem Bewußtsein, daß ich mich an Einen Mann wende, der aus den uneigennützigsten Absichten, in Folge der humansten Grundsätze an meiner Familie zum größten Wohlthäter ward, wage ich Ew. Wohlgeboren mit einer Bitte zu belästigen, davon Erfüllung das Glück meines Sohnes und som[it] mein eigenes bedingt.
Mein Sohn, der das Glück hatte von Ihnen, dem Representanten der deutschen Schule seine höhere Ausbildung in der Kunst zu erhalten, hat seither mit unermüdetem Eifer den vorgezeichneten Weg verfolgt, und es dadurch zu einem erfreulichen Resultate gebracht. – Münster aber, statt die Bemühungen eines jungen Mannes zu fördern, seine Anstrengungen durch billige und gerechte Anerkennung zu belohnen, tritt ihm ströend in den Weg, wie es überhaupt nicht der Kunst die gebührende Achtung zollt. Hinzu kommt nun insbesondere, daß mein Sohn seit seiner frühesten Jugend, bis er in Ihre Schule aufgenommen wurde, an sog. Lall-Musik(???) Theil nehmen mußte, ein Umstand, der, wie es scheint, unvertilgbare Spuren in dem Gedächtnisse der Münsteraner zurückgelassen hat. – So wenigstens verhält es sich mit der Mehrzahl, wenngleich ich nicht verkennen darf, daß die Zahl der Gönner, und unter diesen sehr hochgestellte Männer nicht unbedeutend ist, ungetheilter Beifall in einem noch unlängst veranstalteten Concerte hat dieses klar genug bewährt. Dieses Eine reicht aber nicht hin die Lage der Dinge auch [n]ur befriedigend zu machen; Münster scheint nur eine düstere, freudlose Zukunft zu bieten.
Da zeigt sich nun plötzlich ein heller Punkt, der alle diese Nebel zu zerstreuen verspricht. Durch den traurigen Todesfall des Musikdirectors Attern zu Rheda ist eine Stelle erledigt, die allen Wünschen meines Sohne entspricht: Entfernung von Münster, eine seinen Fähigkeiten angemessene Stellung, und ganz vorzüglich – Muße zur freieren Ausbildung. Er stellte sich persönlich dem Fürsten1 vor, hatte das Glück, Sr. Durchlaucht zu gefallen, der auch in Folge die Vorweisung seiner Atteste ihm die hellste Aussicht, die besten Hoffnungen gab; sagte aber, daß er einen Mitbewerber habe. Dieser ist nun ein gewisser Krollmann, der sich gegenwärtig in Hannover befindet, ein Mann, der, in französischer Schule gebildet, durch sein bestechliches Spiel, das die Menge mehr anspricht, da es die leichter anzuerregende, wenn ich so sagen darf, die roheren, sinnlichen Gefühle afficirt, hier zu Münster meinem Sohn manchen Nachtheil gethan hat. – In dieser so zweifelhaften Lage werfe ich mich wiederum in die Arme meines Wohlthäters und bitte Ew. Wohlgeborn, der Sie der Grund zu meines Sohnes Glücke legten, auch nun dem Gebäude den Schlußstein zu geben. Ein Wort aus Ihrem Munde, und es ist genug, um volle Entscheidung zu geben. Eine Äußerung des Erbprinzen versichert, daß durch Ihre Fürsprache der Sache sofort die günstigste Wendung gegeben würde Jede folgende Stunde aber schon kann es zu spät sein; ich wage daher meinen vielen Bitten dieses Eine zuzufügen, daß Ew. Wohlgeboren mit dieser Gnade nicht zögern wollen. Ich kann nichts, vermag nur, den wärmsten innigsten Dank auszusprechen; aber es gibt da einen höheren Vergelter, zu dem will ich flehen, er wird lohnen.
O verzeihen Sie! aber es spricht aus mit ein Vaterherz, an dem die Sorge für sechs noch unversorgte Kinder nagt. Eine Zeile von Ihrer Hand an den Fürsten wird mein ganze Haus beglücken. – Ich lebe der unerschütterlichsten Hoffnung, ja der festen Ueberzeugung, daß Ew. Wohlgeboren meinem Flehen ein geneigtes Ohr leihen werden.


Es grüßt Sie hochachtungsvoll
Ew. Wohlgeboren
unterthänigster F. Müller.

Autor(en): Müller, F.
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Bentheim, Moritz-Casimir zu
Krollmann, Adolph
Müller, Anton (Münster)
Erwähnte Kompositionen:
Erwähnte Orte: Rheda
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1843062040

Spohr



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Müller an Spohr, 23.11.1840.

[1] Moritz Casimir zu Bentheim.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (11.02.2022).