Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. hist. litt. 15[195,21
Englischer Auszug: British Library London, Sign. RPS 364, Bl. 181 [kostenpflichtiger Zugang zum Digitalisat]

Professor Taylor
Red Lion Court, Fleet Street
Printing Office
London.
üb. Hamburg


Cassel am 1sten Juni
1843.

Hochverehrter Freund,

Gestern habe ich einen Brief1 von Herrn Blagrove bekommen, in welchem er bey mir anfragt, „ob ich wohl in einem von ihm zu veranstaltenden Concerte meine Doppelsymphonie dirigiren würde?“ Nun mögte ich zwar Herrn Blagrove sehr gern gefällig seyn; da ich aber nicht weiß, ob es nicht etwa der Philharmonischen Gesellschaft unangenehm seyn würde, wenn ich in einem andern Concerte dirigire; da diese vieleicht auch die Absicht hat, die Doppelsymphonie unter meiner Direction zu geben so überlasse ich es ganz Ihrer gefälligen Bestimmung, ob Sie in meinem Namen Herrn Blagrove's Anfrage bejahend oder ablehnend beantworten wollen. Jedenfals müßte das Concert des Herrn Blagrove nicht nur nach dem letzten Concert der Ph. Gesellschaft, in welchem ich Solo spielen und dirigiren werde, sondern auch erst nach der Aufführung des Oratoriums stattfinden, damit die Proben zu diesen beyden Aufführungen nicht etwa dadurch gestört würden. Ob es dann, so spät in der dortigen Saison, überhaupt noch der Mühe lohnt, ein Concert zu veranstalten; kann ich nicht beurtheilen; deshalb überlasse ich alles Ihrer Bestimmung und bitte Sie, mit Herrn Blagrove zu reden.
In dem Conzerte der Philh. Gesellschaft werde ich also ein Concertino2 meiner Komposition spielen und wünsche eine meiner Symphonien zu dirigiren, welche?, ist mir ziemlich egal. Sollte die Doppelsymphonie3 zur Aufführung kommen, so wäre mein Wunsch, daß dieses Mal in dem Textbuche eine getreuere Übersetzung der Motto's gegeben würde, wie das vorige Mal. Ich habe daher unsern lieben Gast gebeten, diese wörtlich zu übersetzen und noch einiges was ich zur Erläuterung hinzufügte, ebenfalls mit auf zu schreiben. Würde dieß benutzt, so könnte das Verständniß des englischen Publikums nicht ausbleiben. Ich lege Ihnen das Blatt4 wie auch ein kleines Briefchen5 bey.
Sollte es nöthig seyn, daß, ich eine meiner Symphonien mitbringe, oder auch die deutsche Partitur vom „Fall Babylons“, so bitte ich es mir zu schreiben. Auch sehen wir im nächsten Briefe Ihrer Nachricht entgegen, an welchen Tagen das Dampfschiff von Antwerpen nach London abfährt und ob wir hoffen dürfen, Sie oder einen andern unserer Freunde am Landungsplatz zu treffen? Gleich nach Empfang Ihres nächsten Schreibens werden wir Ihnen dann6 den Tag unserer Ankunft melden. Daß wir während unseres Aufenthalts in London mit Ihnen und den lieben Ihrigen zusammenwohnen sollen, ist natürlicher Weise ganz unsern Wünschen angemessen. Da Sie aber jetzt in London so gut fremd sind, wie wir, so wäre es wohl am natürlichsten und angemessensten gewesen, wenn wir gemeinschaftlich eine Wohnung gemiethet und gemeinschaftliche Menage gemacht hätten! Wir überlassen indessen auch hierüber Ihnen ganz die Bestimmung und werden uns ganz Ihrer Leitung anvertrauen.
Ich werde die letzte Zeit vor der Reise noch in großer Unruhe hinbringen bis zu dem Augenblick, wo der Urlaub bewilligt ist. Ich kann nämlich immer noch nicht die Besorgniß loßwerden, daß der Prinz7 mir noch irgend ein Hinderniß in den Weg legen könnte, obgleich ich mir keins denken kann. Er ist aber in solchen Dingen viel erfinderischer als irgend ein anderer Mensch. Ich verschweige daher sorgfältig, daß es mit meiner Abreise Eile hat, damit er nicht etwa die Ferienzeit später beginnen lasse wie andere Jahre. - Hoffen wir jedoch, daß meine Besorgniß unbegründet ist!
Einem baldigen fröhlichen Wiedersehen entgegen sehend, mit herzlicher Freundschaft ganz

der Ihrige Louis Spohr.

Autor(en): Spohr, Louis
Adressat(en): Taylor, Edward
Erwähnte Personen: Blagrove, Henry
Friedrich Wilhelm Hessen-Kassel, Kurfürst
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Der Fall Babylons
Spohr, Louis : Irdisches und Göttliches im Menschenleben
Spohr, Louis : Konzerte, Vl Orch, op. 79
Erwähnte Orte:
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1843060104

Spohr



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Taylor, 07.05.1843. Taylor beantwortete diesen Brief am 12.06.1843.

[1] Noch nicht ermittelt.

[2] Op. 79.

[3] Irdisches und Göttliches im Menschenleben.

[4] Vgl. Digitalisat.

[5] Margaret Taylor an Edward Taylor, 01.06.1843 (vgl. Digitalisat).

[6] „dann“ über der Zeile eingefügt.

[7] Der spätere Kurfürst Friedrich Wilhelm.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (28.01.2019).