Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Sr Hochwohlg.
Herrn Kapellmeister
Doctor L. Spohr
in
Heßen-Cassel
Germany.1


7. Grafton Street, Fitzroy Square
den 26ten Mai. 1843.

Geehrtester Freund,

Ihr hochwohl. Schreiben vom 6ten April, (Hr Flötist Friebe empfehlend,) erhiehlte ich mit Vergnügen durch letzteren, welcher kürzlich hier angekommen ist. –
Ich hoffe daß Herr Friebe nicht bereuen wird, daß er sich hieher bemüht hat, und2 suche in jeder Hinsicht, ihm guten Rath zu geben; indeßen, ist es so ungewiß was man jetzt in der musikalischen Welt für Succes zu erwarten hat, daß ich3 wirklich zuerst nicht wußte auf welche Manier und Waise4 ihm zu empfehlen seine Geschäfte (in Hinsicht der Musik, und um sich hier als Künstler zu zeigen,) anzufangen. Wir haben uns5 endlich entschloßen6, eine Matinée Musicale gegen Ende Juni zu geben, und haben dazu ein ziemlich anziehendes Programm zusammen bringen7 können; Hr Friebe wird es jetzt durch Subscription unternehmen und da er manche gute Empfaehlungsbriefe mitgebracht hat, zum Beispiel an I.K.H.8 die Herzoginn von Kent, den Preußischen Gesandten p.p. so ist es immer möglich daß er dadurch gewinnt. – Er ist etwas spät angekommen, sonst wäre es leicht gewesen ihn im Philharmonischen Konzerten zum Spielen kommen zu laßen, worin er vielleicht hätte gezahlt werden können, wo die Programme von fast allen Benefiz-Conzerten schon gemacht waren, wenn9 dieses nicht allein schwer, sondern fast ganz unmöglich. – Im Philharmonischen Conzerte hätte er doch spielen können, allein die Hr Directoren10 stehen in einer ganz besonderen Lage wegen einem Flötenspieler. Es hat nämlich ein hiesiger, und zwar sehr braver, Flötist (Herr Ribas,) ein Stück von seiner Composition in der öffentlichen Probe, des ersten Conzerts vorgetragen; wobei die Hr Directoren das Stück so auserordentlich schwach gefunden haben (in Hinsicht der Composition vorzüglich,) daß Sie es haben vom11 Programme des Conzerts müßen herausnehmen, um ein Solo für ein anderes Instrument12 anstatt einfügen. – Sie waren, selbst dieses zu erlangen genöthigt Hn Ribas etwas zur Entschuldigung zu sagen, nun ist es schon nicht leicht einen anderen Flötisten hervorzustellen. – Ich hoffe daß wir aber Hn Friebe doch ein nicht sehr unvortheilhaften Aufenthalt verschaffen, wozu ich, so viel wie möglich, ihn zu Diensten stehen werde. – Man versichert mich, daß Sie, Geehrtester Hr Spohr, uns recht bald mit Ihrer Gegenwart hier in London befreuen und beehren werden. – Dieses ist mir höchst erfreulich, und bin überzeugt daß es Sie13 hier eine sehr angenehme und hochschätzende Aufnahme erwartet.
Wenn es14 nicht gegen die Absichten Ihrer Visite nach London wäre, so möchte ich den herzlichen Wunsch äußern, unter Ihrer so ausgezeichneten Leistung, noch einmal die Solo Symphonie15 (die hier voriges Jahr gespielt wurde,) dem Publikum16 zu geben. – Es würde mir das höchste Vergnügen sagen, ein Conzert, wären Ihren Aufenthalt um dieses zu versichern zu geben17 und ich bin überzeugt, daß ich das Orchester noch viel beßer besetzen kann, als wie bei der Vorstellung im Philharmonic vergangene Saison. – Unter den Blasinstrumenten vorzüglich sind manche Veränderungen nöthig, die die Direction bei der Gesellschaft nicht vornehmen können; denn, gute Künstler und auch manchmal mittelmäßige18 wenn sie doch nicht die ersten sind, werden von Jahr zu Jahr aus Respect immer wieder engagirt; – Ich will nicht sagen daß das Orchester nicht ein ganzes bildet, aber, ich kann mit Wahrheit Ihnen die Versicherung geben, daß er wenigstens zwanzig ausgezeichnete Künstler hier sind, die nicht im Philharmonischen sind, und wieder, wenigstens dreißig sind, die Stellen im Philharmonischen behalten, die verbeßert19 werden könnten. – Man hat auch in ganz London, vielleicht nicht mehr wie 16 Violinspieler worauf von,20 in Hinsicht, des Tons, der Kraft, des Ausdrucks und Orchester-Kenntnißen überhaupt, sich verlaßen kann. Im Philharmonischen sind 32.21Zu Wählen, würde ich alsdann sehr genau suchen. – Dieses aber nur wenn es Ihnen, geehrtester Hr Spohr ganz angenehm wäre, darin mitzuwirken, entweder die Symphonie aufzuführen, etwas vorzutragen, oder beides.
Ich kann mich nur nicht so ausdrücken jetzt, wie ich wünschen mögte, weil ich zuletzt wenig Uebung im22 Deutschen habe. – Hoffentlich werden Sie dieses alles verzeihen, und mir glauben, daß ich stets verbleibe, hochachtungsvoll
der Ihrige
Henry Blagrove

Autor(en): Blagrove, Henry
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Friebe, J.G.
Ribas, José
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Irdisches und Göttliches im Menschenleben
Erwähnte Orte: London
Erwähnte Institutionen: Philharmonic Society <London>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1843052640

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf den derzeit verschollenen Brief Blagrove an Spohr, 16. oder 17.09.1839. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Blagrove, 24.07.1847.

[1] Auf dem Adressfeld befindet sich rechts oben der Poststempel „C / PAID / 26MY26 / 1843“, auf der Rückseite des zusammengefalteten Briefumschlags befindet sich die Stempel „England / over Rotterdam“ und „31 MAY“.

[2] Hier gestrichen: „ich“.

[3] Hier gestrichen: „ihm“.

[4] Sic!

[5] „uns“ über der Zeile eingefügt.

[6] „entschloßen“ über gestrichenem „bestimmt“ eingefügt.

[7] „zusammen bringen“ über einem gestrichenen Wort eingefügt.

[8] Abk. f. „Ihre Königliche Hoheit“.

[9] Hier ein oder zwei Buchstaben gestrichen.

[10] „die Hr Directoren“ über gestrichenem „es ist am“ eingefügt.

[11] „vom“ über gestrichenem „aus dem“ eingefügt.

[12] Hier ein Wort gestrichen.

[13] „Sie“ über gestrichenem „Ihnen“ eingefügt.

[14] Hier gestrichen: „Ihnen“.

[15] Offensichtlich die Doppel-Sinfonie Irdisches und Göttliches, bei der das kleinere Orchester mit 10 Soloinstrumenten besetzt ist.

[16] Hier gestrichen: „zu hören“.

[17] „zu geben“ über der Zeile eingefügt.

[18] „und auch manchmal mittelmäßige“ über der Zeile eingefügt.

[19] „verbeßert“ über gestrichenem „entweder von“ gestrichen.

[20] Hier gestrichen: „sich“.

[21] „Im Philharmonischen sind 32“ über der Zeile eingefügt.

[22] „im“ über einem gestrichenem Wort gestrichen.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (10.03.2022).