Autograf: nicht ermittelt, möglicherweise ehemals Privatbesitz Dr. Ernst Hauptmann in Kassel, vermutlich 1943 Kriegsverlust
Druck 1: Louis Spohr, Louis Spohr's Selbstbiographie, Bd. 2, Kassel und Göttingen 1861, S. 270f. (teilweise; Zuordnung des Texts zu diesem Brief spekulativ)
Druck 2: Hans Michel Schletterer, Ludwig Spohr. Ein Vortrag, Leipzig 1881, S. 63f. (teilweise)

<[…] Cassel werde durch Spohr‘s Abgang unter den dort obwaltenden Verhältnissen eine musikalisch Sandsteppe werden [… rät ihm aber dennoch unbedingt dazu und will …] den Gedanken noch nicht aufgeben, ihn aus dem guten, schönen aber unterdrückten Cassel nach der majestätischen Praga ziehen zu sehen […]>

{[...] Es war recht interessant, die Arbeit eines tüchtig praktischen, in seiner Zeit lebenden und befangenen Musikers, neben dem Werke eines genialen, seinen Stil sich selbst schaffenden Künstlers in einem so nahe gelegten Vergleich zu hören.1 Aber auch vom musikalisch poetischen Gehalte abgesehen, in Form und Zuschnitt, die eben nur durch künstlerische Auffassung bedingt werden, ist eine Verschiedenheit bemerkbar, die nicht auf einem Mehr oder Minder beruht, sondern auf einer von Haus aus andern Qualität der Production. Die Gerichtsscene ist bei Schicht eine Folge von ariosen und rezitativischen Sätzen, die unter sich nicht mehr als mit allem übrigen zusammenhängen, während es bei Ihnen ein geschlossenes Bild ist, eine Handlung, die Anfang, Fortgang und Schluss hat, und so mehreres. „In seiner Todesnoth”, eines der schönsten Stücke, ist dort auch Canon, aber für drei Solosoprane im Einklang und von der trocknen Art. Die Aufführung des Schicht’schen Oratoriums geschah mit grossem Chor und Orchester, die unsere mit dem ersten Chor der Thomaner und 28 Sängern, da die übrigen um diese Zeit in andern Kirchen beschäftigt waren, und doch hörte man nur eine Stimme zum Vortheil des Spohr’schen, so sehr jene aus alter Gewohnheit auch in Gunst steht. [Die Arie mit Harfenbegleitung wurde von einem kleinen Sopranisten, der eine wahre Nachtigallenstimme hat, so schön gesungen, dass ich nichts mehr wünsche, als daß Sie, lieber Herr Capellmeister, hätten zugegen sein mögen.]2 Susette, die beide Aufführungen ihres Oratoriums mit größtem Vergnügen begewohnt und das Schicht’sche unsäglich langweilig gefunden hat, wollte durchaus unsern wackern Solosopran gepriesen wissen, was ich ihr selbst übertragen habe. Auch das Terzett wurde ganz schön und wirkungsvoll gesungen. [...]}

Autor(en): Hauptmann, Moritz
Hauptmann, Susette
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen:
Erwähnte Kompositionen: Schicht, Johann Gottfried : Das Ende des Gerechten
Spohr, Louis : Des Heilands letzte Stunden
Erwähnte Orte: Leipzig
Erwähnte Institutionen: Thomanerchor <Leipzig>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1843041933

Spohr



Der letzte belegte Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Hauptmann, 04.04.1843, den dieser Brief möglicherweise beantwortet. Der Brief ist aus beiden Drucken kompiliert. Die Zuordnung des hier mit eckigen Klammern < > wiedergegebenen Druck 1 zu diesem Brief ist spekulativ; ansonsten wäre allerdings ein weiterer Brief Hauptmanns an Spohr vor dem 19.04.1843 vorauszusetzen, in dem Hauptmann auf den Bericht antwortet, dass Spohr das Angebot erhalten habe, den Posten als Direktor des Prager Konservatoriums zu übernehmen. Druck 2 ist hier mit geschweiften Klammern { } gekennzeichnet.
Spohr beantwortete diesen Brief am 25.04.1843.

[1] Johann Gottfried Schichts Das Ende des Gerechten lag das gleiche Libretto zugrunde, das Spohr später als Des Heilands letzte Stunden vertonte. In der Karwoche 1843 führte Moritz Hauptmann Spohrs, Felix Mendelssohn Bartholdy Schichts Oratorium auf (vgl. „Leipzig, 15. April”, in: Didaskalia 23.04.1843, nicht paginiert)

[2] Schletterer zufolge eine Einfügung durch Susette Hauptmann.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (27.12.2016).