Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Reifenstein am 16t Februar 1843.

Innigst verehrtester Freund und Gönner.

Für einige Tage hier eingetroffen, finde ich die Fabricate von dem auch hiesigen schließlichen sog. Schlachtfest noch so wohlschmeckend und frisch, daß davon unbeschädigtes Unterkommen, zu Mahl bey dieser wieder kälteren Witterung, wohl zu erhoffen steht! – Und da kann ich der Verführung, noch ein Mahl damit zu kommen, um so weniges wieder sehen, als ja eben „in diesen heiligen Hallen“ dieser ehrwürdigen Kloster-Mauern aus die glückliche Entdeckung Ihrer Vorliebe für diese ländlichen Fabricate einst zu Theil wurde, an welche unsere jedes Mahl so große Freude derartiger nachfolgender Verladungen(???) sich knüpft! –
Leider hatten wir vor einigen Mittagen in Catlenburg eine Rothwurst in der Suppe, welche durch ihre Verwechslung mit dem(?) Stücke(???) desselben, welche für die Rauchkammer bestimmt sind, wegen weniger zwar gekochter Zungen-Würstel pp völlig ungenießbar war! was uns denn sehr füchten ließ, daß dieselbe unglückliche Verwechlung auch bey den Ihnen gesandten Exemplaren eingetreten seyn könnte! Das beygehende [???] hiesige Exemplar wird mit allem guten Erfolge der Suppen-Terrine überwiesen werden können! – und da1 die hiesige Fabrication der sogenannten Feldkieker2 beynahe den3 Gothaner derartigen Meister-Producte sich anschließt, – stets ungleich gelungener als die Catlenburger, – so habe ich auch davon ein Paar Exemplare um so mehr beygefügt, als die sg. „frischen Würstel“ am Ende doch nicht mehr frisch genug dort anlangen könnten! – Seit meiner ähnlichen Catlenburger Depesche, ni fallor4 vom 8t d.M. haben sich vorliegende Geschäftserledigungen u desfalsige kleine Reisen ferner so gehäuft, daß ich fast den Muth dazwischen verlieren mögte, meine Wallfahrt zu Ihrem nächsten Abonnements-Concerte dazwischen heraus buchstabiren zu können! – dessen etwa nothgedrungner Versäumung mir sehr nahe gehen würde! – Schon jetzt eine Abänderung zuzulassen sind vorläufig die Geschäfte, welche auf dem 12t u 13t d.M., u dann würden auf dem 24st u 25st k.M. anstehen. – Die übrigen Feststellungen suche ich thunlichst noch freizuhalten, um noch freyen Spielraum für jene Wallfahrt zu Ihrem anziehenden Parnasse offen zu erhalten.
Gar sehr wird dabey mich auch eine Wiederholung Ihrer Piano-Sonate 1ter u 3ter Satz von der stets so großen Gefälligkeit u so ansprechend tief gemüthlichen Vortrage Ihrer liebenswürdigen Frau Gemahlin erfreuen, u eben so sehr das mir noch unbekannte Adagio u nur dem anziehenden Eingange nach bekannten Finale mich zum höchsten interessiren! – Das so zu sagen die gediegeneren Schöpfungen aller Zeitalter mit einander vereinende Scherze klingt in dem wundervoll selbstständigen u doch so wohlklingenden Ganze seiner Mittelstimmen, wie in der Kindheit seines Eingangs-Motiv‘s mir noch immer vor den Ohren; u begründet die größte Sehnsucht der Fantasie nach der verwirklichenden Wiederaufführung5 in ihrem vollen Zusammenhange der ihr daraus verbliebenen einzelnen Momente! –
Doch – die Wurst ist schon alt genug! – u der Weg zur Post weiter als in Catlenburg! – So innig als unwandelbar u dankbar

Ihr wärmster Verehrer
CFLueder.

Autor(en): Lueder, Christian Friedrich
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Spohr, Marianne
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Sonaten, Kl, op. 125
Erwähnte Orte:
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1843021635

Spohr



Dieser Brief folgt in dieser Korrespondenz auf Lueder an Spohr, 08.02.1843. Sein Postweg überschnitt sich mit den derzeit verschollenen Briefen Spohr an Lueder, 15.02.1843 und 17.02.1843.

[1] „die“ über der Zeile eingefügt.

[2] Vgl. Otto Beck, „Das Eichsfeld und seine Bewohner“, in: Archiv für Landeskunde der preußischen Monarchie 3.3 (1858), S. 114-246, hier S. 141.

[3] Hier gestrichen: „Goth“.

[4] „ni fallor“ (lat.) = „wenn ich mich nicht irre“. Lueder irrte nicht!

[5] Hier gestrichen: „er Ihr [???]“.

Kommentar und Verschlagwortung, sofern in den Anmerkungen nicht anders vermerkt: Karl Traugott Goldbach (15.06.2021).