Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Herrn Hofkapellmeister
Doctor L. Spohr
Wohlgeb.
Cassel

franco!


Hamburg, 23/1 43

Hochgeehrter Freund!

Meinen schönen Andreas Guarneri (bekanntlich der Lehrmeister des Jospeh & Stradivari) möchte ihr Schüler1 gern haben & ich möchte lieber den Bergonzi verkaufen. – Denn nur ungern trenne ich mich von dem Andreas, der bis jetzt Alle Geigen die nach Hamburg kamen todt machte. Ole Bull, Ernst, Müller, Molique, Riefstahl, Davids a. Leipzig, Prume, Kistner a. Leipzig Alle Geigen dieser Herren – die von Müller, Musikhändler Kistner & David stehen oben an – konnten sich in Stärke & Glanz des Tones nicht mit meinem Andreas messen & diese meine Puppe soll ich unter 100 Lds. weggeben? Ich will Ihnen aufrichtig2 sagen: ich zahlte für diese Geige 1832 neunzig Louisdor ich ließ solche zu der Zeit repariren & das Instrument hat sich bis jetzt auf die Höhe der Vortrefflichkeit gehalten, wie Sie solche selbst finden.
Rechne ich nun meine Reparatur zu den neunzig Louisdor, so kostet mich die Geige ca fünf&neunzig Stück Louisdor, & Ihnen will ich dieselbe ausnahmsweise auch für diesen niedrigsten aller Preise lassen. Von Jedem Fremden würde ich über 100 Louisdor verlangen.
Spielen Sie die Geige mal in einem großen Lokal, Sie werden staunen über das Ausreichen des Tones – keine kann mit diesem ConcertInstrumente rivalisiren wenn es zweckmäßig etwas stärker bezogen wird.
Die Bergonzi ist auch vortrefflich jedoch kann ihr G gegen den Löwenton des G vom Guarneri nicht gleich kommen, die fast wie ein Cello klingt.
Zu Ihrer ferneren Prüfung & zur Beruhigung des Künstlers wollen Sie die Geige gern noch 10 Tage behalten.
Bei Rücksendung der Geige bitte die Bogen von Schonger nicht zu vergessen. – Daß Sie das Quartett meines Bruders gelegentlich in einer Musikparthie aufführen wollen, hat den Componisten sehr erfreut; er bittet zu berücksichtigen daß das Opus vor 10 Jahren zuerst im Druck erschien.
Für die prompte Rücksendung der 2t Correktur des 2tn Trios3* meinen besten Dank. Sie werden sich diesmal über die Ausstattung besonders freuen.
Der Titel statt Lieder ohne Worte läßt sich vortrefflich ändern in „Duette in Liederform“ f. Piano & Violon (concertant). Dieser Titel wird sicher Ihren Beifall erhalten.
Mit Wessel & Stapleton bin ich höchst unzufrieden, sie inflektirten bestellten4 früher die 4 Duos f. Harfe & Violin, ich ließ ihretwegen die Flöten Stimme arrangiren, & die Werke hier copiren, zahlte Porto & nachher zahlten sie 5 Louisdor – kaum meine Speesen. Ferner: Ihr erstes Trio5 f. Piano ließ ich auf Verlangen v. Wessel & Stapleton6 copiren, sandte es nach London & einen schönen Probedruck & ich konnte nicht mehr als fünf engl.7 Louisdor zur Deckung meiner Auslagen erhalten. Ich berichte Ihnen dies nur.
Nach Paris habe ich an alle Virtuosen (12 Ex.) das 1te Trio gesandt (gratis) mit dem Wunsch es vortrefflich zu spielen – in nächster Zeitung hoffe ich schon einen Bericht abzustatten.


Ganz der Ihre mit Liebe & Hochachtung
Julius Schuberth



Dieser Brief ist die Antwort auf einen derzeit verschollenen Brief von Spohr an Schuberth. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Schuberth an Spohr, 03.02.1843.

[1] Henry Tivendell (vgl. Schuberth an Spohr, 04.03.1843).

[2] „aufrichtig“ über der Zeile eingefügt.

[3] Op. 123.

[4] „bestellten“ über der Zeile eingefügt.

[5] Op. 119.

[6] „auf Verlangen v. Wessel & Stapleton“ über der Zeile eingefügt.

[7] „engl.“ über der Zeile eingefügt.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Wolfram Boder (01.06.2021).