Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Wohlgeborener
Hochzuverehrender Herr!

Euer Wohlgeboren haben meinen tonkünstler. Bestrebungen ein so gütiges Intresse geschenkt, daß ich mich dadurch ermuthigt fühle, Ihnen folgende Mittheilung zu machen.
Auf ausdrückliches durch Herrn Hofrath Schilling mir kund gegebenes Verlangen habe ich im Frühjahr 1840 meine Composition des 130. Psalms dem Stuttgardter Verein zum gleichzeitigen Druck mit der gekrönten Arbeit H. Musikdirektors Hetsch überlassen. Wie hätte ich auch bey einer für mich so ungehofften u. schmeichelhaften Würdigung meiner Versuche anders handeln können?
Eine später versuchte u. nun veröffentliche Arbeit: „Requiem von Ch. Wilh. Hydenreich München bey Jos. Aibl“ ist in öffentlichen Blättern1 auf eine Weise besprochen worden welche mir den Gedanken auch den Psalm dem Publikum zu übergeben2, nicht gerade als frivole Unberufenheit erscheinen läßt.
Seit der Ueberlassung des Manuskripts an den Verein sind fast 3 Jahre verflossen. Der Druck ist nicht erflogt u. wie es scheint, dürfte derselbe auf sich beruhen.
Es ist unter meinen Verhältnissen mir nicht gleichgiltig, wenn dieß der Fall seyn sollte, wie es nun einmal den Anschein hat. Denn ich gestehe ganz offen, daß ich Juny die Publicität allmählich eine günstige Wendung meines in seiner Art gewiß eigenthümlich herben Geschickes herbey zu führen suche. Euer Wohlgeboren verehre ich als großen gefeierten Künstler Deutschlands. Um so gewisser darf ich voraussetzen, daß Sie die geistigen Bedürfnisse eines Mannes in meiner Lage u. den dadurch hervorgerufenen innern Kampf begreifen!
Ich habe mich an H. Hofrath Schilling wegen Rückgabe des Psalms gewendet. Ich bin belehrt, daß es erfolglos ist.3
Ich besitze ein4 Abschrift des Psalms u. bin im Begriffe zur Veröffentlichung desselben5 zu schreiten, nachdem die Voraussetzung, unter welcher ich mein Manuskript herbeyließ, nicht eingetreten ist, auch wohl kaum mehr eintreten wird.
Müde, ferner mit H. Hofrath Schilling in dieser Sache fruchtbar zu verhandeln, wähle ich den kürzeren Weg, indem ich Euer Wohlgeboren hiermit ergebenst ersuche, als Vereinspräsident die Rückgabe des Manuskripts zu verfügen.
So unangenehm mir die Sache ist, so bin ich doch mit ihr ausgesöhnt, denn sie giebt mir Veranlassung, die große Verehrung auszudrücken, welche ich für Euer Wohlgeboren hege u. hier tief u. ungeheuchelt ausspreche.
Ich beharre mit diesen Gesinnungen als

Euer Wohlgeboren
ergebenster Diener
Heydenreich k.b.6
Landgerichtsassessor

Pfarrkirchen in
Niederbayern am
5. Januar 1843.

Autor(en): Heydenreich, Christian
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Hetsch, Louis
Schilling, Gustav
Erwähnte Kompositionen: Heydenreich, Christian : Psalm 130
Heydenreich, Christian : Requiem
Erwähnte Orte:
Erwähnte Institutionen: Aibl <München>
Deutscher Nationalverein für Musik und ihre Wisenschaft <Stuttgart>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1843010546

Spohr



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Heydenreich an Spohr, 24.06.1840.

[1] Vgl. F., Rez. „Christ. Wilh. Heydenreich: Requiem im ältern Kirchenstyle für Gesangstimmen“, in: Allgemeine musikalische Zeitung 44 (1842), Sp. 915ff.

[2] Vgl. „Recensionen“, in: ebd. 45 (1843), Sp. 582ff.

[3] Vgl. auch Henriette Feuerbach an Spohr, 19.06.1840.

[4] Sic!

[5] „desselben“ über gestrichenem „des Psalms“ eingefügt.

[6] Abk. f. „königlich bayerischer“.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (14.07.2022).