Autograf: letzter Nachweis Sotheby's London, 26.10.2017, Los 124 [Invaluable]
Digitalisat: siehe Autograf (teilweise)
Druck 1: Hermann Erler, Robert Schumann‘s Leben. Aus seinen Briefen, Bd. 1, Berlin 1887, S. 290ff.
Druck 2: H[ans] M[ichael] Schletterer, „Robert Schumann‘s Briefe an Louis Spohr“, in: Neue Zeitschrift für Musik 89 (1893), S. 74f. und 85f., hier S. 75
Druck 3: Robert Schumanns Briefe. Neue Folge, hrsg. v. F. Gustav Jansen, 2. Aufl., Leipzig 1904, S. 222f.
Druck 4: Wolfgang Boetticher, Robert Schumann in seinen Schriften und Briefen, Berlin 1942, S. 361f. (teilweise)
Druck 5: Julia M. Nauhaus, Musikalische Welten. Clara und Robert Schumanns Verbindungen zu Braunschweig, Sinzig 2010, S. 154ff.
Beleg: Autographen-Sammlung enthaltend Musiker-Briefe und Musik-Manuskripte aus dem Nachlasse des berühmten Komponisten Louis Spohr (1784-1859) nebst Beiträgen aller Art (Fürsten,Staatsmänner, Dichter, Gelehrte, Künstler, etc.) aus dem Besitz eines bekannten Berliner Sammlers. Versteigerung zu Berlin Montag, den 15. und Dienstag, den 16. Oktober 1894 (= Katalog Liepmannssohn), Berlin 1894, S. 66

Leipzig, den 23sten November 1842.
 
Hochzuverehrender Herr,
 
Mit großem Bedauern hörten wir Ihren und Ihrer Frau Gemahlin gütigen Besuch im vergangenen Sommer. Wir suchten Sie noch an demselben Tage überall auf, bis wir denn den andern Morgen Ihre schnelle Abreise erfuhren.1 Meine Frau hatte vor, Ihnen Ihr erstes Trio hören zu lassen, auch ich hätte Ihnen gern dies und jenes vorlegen mögen. Dies soll denn vielleicht nur aufgehoben sein bis zum nächsten Sommer, wo Sie Ihre Verehrer hier einmal mit einem recht langen Besuch erfreuen wollen.
Noch ehe mir unser verehrter Md. Hauptmann von Ihrem Wunsch, meine Symphonie zu erhalten, sagte2, war es längst mein Vorsatz gewesen, sie Ihnen zu senden, mir Ihr gütiges Urtheil darüber zu erbitten. Mein Streben ist Ihnen bis jetzt nur aus kleineren Stücken bekannt geworden – möchte Ihnen denn der größere Versuch einiges Interesse, einige Freude gewähren. <Ich schrieb die Symphonie zu Ende Winters 1841, wenn ich es sagen darf, in jenem Frühlingsdrang, der den Menschen wohl bis in das höchste Alter hinreißt, und in jedem Jahre von Neuem überfällt. Schildern, malen wollte ich nicht: daß aber eben die Zeit, in der die Symphonie entstand, auf ihre Gestaltung, und daß sie gerade so geworden ist wie sie ist, eingewirkt hat, glaube ich wohl. Leicht werden Sie die Symphonie nicht finden, doch auch nicht allzuschwer. Auf einige Stellen, die überall wo ich sie hörte Schwierigkeiten machten, erlaub ich mir noch hinzudeuten. Gleich auf die ersten drei Tacte, namentlich verunglückt oft das erste [Nbs] in den Trompeten; ich habe daher in den Stimmen bei der letzten Aufführung hier ein [Nbs] daraus gemacht, wodurch der Ansatz freilich sicherer wird. – Vom Più Vivace in der Einleitung an möchte ich das Tempo gleich um ein bedeutendes schneller. – Eine zweite Aenderung, die ich in die gedruckten Stimmen eingeschrieben, ist S. 56 der Partitur in der Alt- und Tenorposaune mit kleinen Noten bemerkt. Viel Noth macht auch immer die Stelle S. 80 im letzten Tact, wo die Hörner und Trompeten> nie bestimmt genug mit dem Thema einsetzten. – Das Adagio hat keine Schwierigkeiten; aber wohl das Scherzo im 1sten Trio, wo die Figur [Nbs] meistens verwischt wurde in [Nbs], was ich natürlich gar nicht will. Dann vergessen S. 127 Tact 6, die Geiger immer das p, wodurch die Bläser ganz gedeckt werden. Viel zu schaffen macht auch immer im Scherzo das Coda; es ist auch das Schwierigste in der Symphonie, und ich bitte um Ihre besondere Nachsicht, wenn es nicht gleich gehen sollte. Der letzte Satz hat wenig Schwieriges.
Wenn ich mir erlaubte, Sie, hochzuverehrender Herr, auf diese Stellen aufmerksam zu machen, so geschah es, weil sich die Fehler, die dabei gemacht wurden, überall, wo ich die Symphonie hörte, wiederholten, und weil ich Sie eben darauf vorbereiten wollte.
Möchte sich die Mühe, die Sie meinem Werke schenken, nun auch in etwas lohnen durch die Musik; meines Dankes brauch‘ ich Sie wohl kaum zu versichern.
Vergleiche ich nun freilich Ihre letzte Symphonie3, die ich noch gestern mit wahrer Erhebung gelesen, mit anderen, so sehe ich gar wohl, wie viel noch zu thun übrig bleibt. Aber es steht dem Meister so wohl, wie viel noch zu thun übrig bleibt. Aber es steht dem Meister so wohl, wenn er, außer daß er selbst Schönes schafft, auch junge Bestrebungen in seinen Schutz nimmt, und daß mich dies gerade von dem, den ich unter den Lebenden am höchsten verehre, erfreut hat, mag ich diesem Briefe gern anvertrauen.
In immerwährender Hochachtung
 
Ihr
ergebenster
Robert Schumann.

Autor(en): Schumann, Robert
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Hauptmann, Moritz
Schumann, Clara
Spohr, Marianne
Erwähnte Kompositionen: Schumann, Robert : Sinfonien, op. 38
Spohr, Louis : Irdisches und Göttliches im Menschenleben
Spohr, Louis : Trios, Vl Vc Kl, op. 119
Erwähnte Orte: Leipzig
Erwähnte Institutionen: Hofkapelle <Kassel>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1842112341

Spohr



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Schumann, 25.11.1840. Spohr beantwortete diesen Brief am 01.12.1842.
[Ergänzung 17.02.2021: Die Edition folgt Druck 1, ist aber in den mit dreieckigen Klammern (<>) gekennzeichnetem Teil nach dem Digitalisat der zweiten Briefseite auf der Auktionshomepage kollationiert.]
 
[1] Das Ehepaar Spohr traf am 26.07.1842 in Leipzig ein und verließ die Stadt bereits am Folgetag (vgl. Marianne Spohr, Tagebucheinträge 26. und 27.07.1842; Clara Schumann, Tagebucheintrag, 26.07.1842, in: Robert Schumann, Tagebücher, Bd. 2, hrsg. v. Gerd Nauhaus, Basel und Frankfurt am Main 1987, S. 233).
 
[2] Vgl. Spohr an Moritz Hauptmann, 28.10.1842.
 
[3] Irdisches und Göttliches im Menschenleben.
 
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (01.11.2018).