Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287[Wessel:05
Druck: Peter Bernhard Horton, „From Bremen to Soho. Christian Wessel and the publication of Spohr’s music in England“, in: Spohr Jahrbuch 3 (2019), S. 129-147, hier S. 136 (teilweise)

Sr Wohlgebor.
Herrn Louis Spohr
Cassel

franco1


Hanover Nov 4/432

Herr Louis Spohr in Cassel
die unangenehme Witterung ist daran Schuld, daß ich meine(?) Dresden & Leipzig abkürzte & direct, anstatt über Cassel auf hier zurückreiste; nun habe ich mir das Vergnügen meines persönlichen Besuchs bis aufs Frühjahr verschreiben müßen. Unterdessen muß ich dem Wunsche meines Schwagers3 der jezt das Musikalien Geschäft in London besorgt nachkommen. Ihnen die Frage zuzustellen, ob Sie wohl die Geneigtheit haben würden, für unser Haus eine Clavier Sonata (solo) zu componiren. Gehen Sie darauf ein, so würden Sie noch näher von ihm darüber hören. Da mein Schwager wie das Gebrauch ist Ihnen das Recht(???) für alle Länder abkaufen würde, so würde Ihnen Dank wissen, wie viel Sie ihm p. pagina4 anrechnen, mir wissen zu lassen da ich es ihm sogleich mittheilen kann.
Auch gefälligst zusagen zu welche5 Zeit Sie wohl eine Sonata zu liefern im Stande wären, denn ich zweifle nicht, ein erstes Geschäft wird auch folgende mit sich führen. Von H. Paul in Dresden kauften wir Ihr Trio Op 119 & von Schuberth eine Sonate op. 113 & 114 welche beide in London erscheinen.
Mit dem Wunsche daß es Ihnen & Familie recht wohl geht, habe ich die Ehre mich bestens zu empfehlen

C.R. Wessel
Britisch Hotel



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Wessel an Spohr, 26.07.1834. Spohrs Antwortbrief ist derzeit verschollen.
Die Datumsangabe „Hanover Nov 4/43“ auf diesem Brief ist eigentlich eindeutig; ein widersprechender Poststempel neben dem Adressfeld „5 NOV [184]2“ stark verwischt (vgl. Anm. 1 und Digitalisat des Stempels). Die relative Chronologie legt jedoch ebenfalls nah, dass Wessel sich in diesem und im Brief vom 26.12.1842 bei der Schreibung der Jahreszahl irrte: Wessel bittet in diesem Brief um die Komposition einer Klaviersonate; in seinem Brief vom 17.12.1842 bedankt er sich für Spohrs Antwort bezüglich dieser Sonate. Im Brief vom 17.12. bittet er ferner für seinen Schwager um die Verlagsrechte von Spohrs Sinfonie Irdisches und Göttliches im Menschenleben; im Brief vom 26.12. bedankt Wessel sich für Spohrs Auskünfte über die Sinfonie. Eindeutig richtig datiert ist offensichtlich der Brief vom 23.02.1843, in dem Wessel erklärt, Spohr solle die Sonate nach einem bestimmten Schema komponieren; über diese Zumutung ärgert sich Spohr am 13.03.1843 gegenüber Moritz Hauptmann. Dass Wessel danach im November 1843 noch einmal um die Komposition einer Klaviersonate bitten sollte, erscheint unwahrscheinlich, was zusätzlich zur Wahrscheinlichkeit der hier postulierten relativen Chronologie für eine Datierung der Briefe vom 04.11. und 26.12. auf 1842 spricht. Ein weiteres Indiz könnte sein, dass Spohr dem Brief vom 26.12. zufolge seine gerade vollendete Konzertouvertüre op. 126 zur Inverlagnahme anbietet. Schließlich spricht für eine Umdatierung der Briefe vom 04.11. und 26.12., dass sie wie der Brief vom 17.12. in Hannover entstanden, obwohl Wessel in London lebte.

[1] Neben dem Adressfeld befinden sich noch die Poststempel „HANNOVER / 4 NOV“ und (allerdings stark verwischt) „5 NOV [184]2“.

[2] Sic! Zur Datierung vgl. den Kommentar oben.

[3] Frederic Stapleton.

[4] per pagina = je Seite.

[5] Sic!

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (17.06.2020).