Autograf: Spohr Museum Kassel (D-Ksp), Sign. Sp. ep. 1.1 <18421023>
Beleg: Autographen. Historische Autographen, literarische Autographen, Musiker, Schauspieler und bildende Künstler, Stammbücher. Versteigerung am 20., 21. und 22. Oktober 1926 (= Katalog Liepmannssohn 48), Berlin 1926, S. 174f.

Sr. Wohlgeb
dem Herrn Oberorganist
Adolph Hesse
in
Breslau.
 
frei.0
 
 
Cassel den 23sten
October 1842.
 
Mein lieber Freund,
 
Das Ihnen altbekannte Stübchen wird vom 15t des kommenden Monaths an, zu Ihrer Aufnahme in Bereitschaft gesetzt seyn. Alle Musikfreunde freuen sich mit uns Ihre Hieherkunft und hoffen auf ähnliche Kunstgenüsse wie bey Ihrer letzten Anwesenheit. Ich werde trachten, das 2te Abonnement Concert in die Zeit Ihrer Anwesenheit fallen zu lassen und mich bemühen, es so reich und interessant auszustatten, wie es unsere Mittel erlauben. Es würde sehr an Glanz gewinnen, wenn Sie uns etwas auf dem Piano vortrügen und ich würde Sie gleich hiermit frömlich dazu einladen, wenn ich sicher wäre, ein gutes Instrument anschaffen zu können. Aber so viel gute Pianoforte auch jetzt in Cassel sind0a (vieleicht an 50-60,) so will doch niemand eines zum Concertspiel hergeben, besonders seit Lißt einige der besten in seinem Concerten maltraitirt hat. Doch wollen wir sehen! Daher das Weitere nach Ihrer Ankunft.
Das erste Concert wird den 2 November stattfinden und eine Sinfonie von Kühmstedt enthalten, die recht viel gelungenes und geniales enthält, aber so schwer ist, daß die meisten Orchester sie gewiß sogleich bey Seite legen werden. Wir haben schon 2 lange Proben davon gehabt und sie geht noch nicht, wie Sie soll. Sie gefällt mir sehr gut, doch wünschte ich einige Längen heraus und eine Bizarrerie die, fürchte ich, ins Lächerliche fallen wird. Mitten im Adagio fängt nämlich auf einmal eine reizende Singstimme über Lebensverhältnisse zu philosophieren an, und entschwindet dann wieder, noch vor Ende des Adagio‘s0b spurlos. Das gehört unter die Geschmacklosigkeiten, welche man bey Kleinstädtern so häufig findet!1
Doch da mir nun bald das Vermögen zu Theil wird mich mit Ihnen mündlich hierüber und ähnliches unterhalten zu können, so sey es bis dahin verspart.
Herrn Schön so wie allen Breslauer Bekannten die besten Grüße.
Von Herzen
 
der Ihrige
Louis Spohr

Autor(en): Spohr, Louis
Adressat(en): Hesse, Adolph
Erwähnte Personen: Liszt, Franz
Schoen, Moritz
Erwähnte Kompositionen: Kühmstedt, Friedrich : Sinfonien, Nr. 1
Erwähnte Orte: Kassel
Erwähnte Institutionen: Hofkapelle <Kassel>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1842102301

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf Hesse an Spohr, 15.10.1842. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Hesse an Spohr, 29.12.1842.
 
[0] [Ergänzung 23.12.2021:] Auf dem Adressfeld befindet sich rechts oben der Poststempel „CASSEL / 23 / 10 / 18342“, rechts unter dem Adressfeld befindet sich die Stempel „N / 27 / 10 / 2“ und „N / 27 / 10 / 1“.
 
[0a] [Ergänzung 23.12.2021:] „sind“ über der Zeile eingefügt.
 
[0b] [Ergänzung 23.12.2021:] Hier gestrichen: „wieder“.
 
[1] Das Konzert fand dann am 4. November statt. Eine Kritik dieses Konzerts mit Schwerpunkt auf der Sinfonie Kühmstedts: „Friedrich Kühmstedt“, in: Allgemeine Musikalische Zeitung 45 (1843), Sp. 87-90.
 
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (06.05.2015).