Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287
Druck: „Briefe von Friedrich Kühmstedt“, in: Urania 51 (1894), S. 5f., 22, 30f., 38f., 45f., 61f. und 86f., hier S. 45

Sr. Wohlgeboren
Hr. Kapellmeister Dr. Spohr
in
Cassel


Wohlgeborner Herr!
Hochgeehrtester Herr Kapellmeister!

Verehrung und Begeisterung für Ew. Wohlgeboren hat beiliegende Symphonie hervorgerufen. Erlauben Sie daher, daß ich dies Werk, da ich es auch für mein gelungenstes halte, Ihnen zu Füßen legen darf. Nehmen Sie es als schwachen Nachhall aller der Gefühle, die mich für Sie, herrlicher Mann! erfüllen, denen ich aber keine Worte zu geben vermag, mit Nachsicht auf, besonders wenn Ihre Meisterhand noch manche Mängel und Schwächen auffinden sollte. Glücklich würde ich mich aber schätzen, wenn Ew. Wohlgeboren dies Werk doch so weit Ihrer Berücksichtigung werth hielten, daß Sie es mit meinem Orator. zugleich zur Aufführung brächten;1 dies ist jetzt mein heißester Wunsch, den ich noch an Ew. Wohlgeboren zu richten wage. Ohne eine Aufführung unter Ihrer Leitung hätte ich den Muth nicht, das Werk, durch welches ich doch leichter, als durch jedes andere, einen Ruf erlangen könnte, einer andern Stadt anzubieten.
Ew. Wohlgeboren müssen, mit einem Worte, mein Machwerk erst sanctioniren, außerdem habe ich wahrhaftig kein Zutrau'n zu mir. Zwar sehe ich auch der Aufführung unter Ihrer Hand mit einer Empfindung entgegen, wie sie ohngefähr ein armer Candidat der Theologie haben mag, der zum ersten Male vor seinem Ephorus und Meister predigen soll, allein der Gedanke, daß Sie mich in meiner Arbeit mit väterlicher Milde betrachten, erhält meinen Muth aufrecht. So sehe ich denn mit ängstlicher Erwartung, doch auch mit Hoffnung dem Tage entgegen, wo zum ersten Male ein paar Kindlein von mir an der Hand Ew. Wohlgeboren in die Welt geführt werden sollen.
Was die Schrift in der Partitur betrifft, so müssen Ew. Wohlgeboren entschuldigen, daß sie nicht schön ist, die Zeit mangelte, das Ganze noch einmal abschreiben zu lassen. Später werde ich Ihnen erst ein schön geschriebenes Exemplar zustellen. Mit den Stimmen werden, denke ich, die Herrn in der Capelle zufrieden sein.
Schließlich bitte ich noch, mich Ihrer Frau Gemahlin, die mit einer merkwürdigen Geduld an den Proben zu dem Oratorium mit thätig gewesen ist, zu empfehlen, und Ihr meinen tiefgefühlten Dank zu sagen; hoffentlich ist mir das Glück vergönnt, dies bald mündlich selbst zu thun. Bis dahin u. immer bleibe der Segen des Himmels mit Ihnen, u. schenken Sie Ihr Wohlwollen Ihrem
Sie hochverehrenden u. ganz
ergebensten

F. Kühmstedt.

Eisenach am 26t August
1842.

Autor(en): Kühmstedt, Friedrich
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen:
Erwähnte Kompositionen: Kühmstedt, Friedrich : Der Sieg des Göttlichen
Kühmstedt, Friedrich : Sinfonien, Nr. 1
Erwähnte Orte:
Erwähnte Institutionen: Hofkapelle <Kassel>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1842082640

Spohr



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Kühmstedt an Spohr, 31.12.1841. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Kühmstedt an Spohr, 27.01.1843.

[1] Spohr führte die Sinfonie am 04.11.1842 in den Kasseler Abonnement-Konzerten auf und veranstaltete am Folgetag mit dem Cäcilienverein für Kühmstedt eine Privataufführung des Oratoriums Der Sieg des Göttlichen (vgl. „Friedrich Kühmstedt”, in: Allgemeine musikalische Zeitungi 45 (1843), Sp. 87-90).

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Wolfram Boder (07.07.2020).