Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Wohlgeborner,
hochzuverehrender Herr Kapellmeister!

Herr Schuster dahier, der wegen eines an Ew. Wohlgeboren in diesen Tagen auszuzahlenden Wechsels in großer Verlegenheit ist, hat mich ersucht, seine an Sie gerichtete Bitte um Verschiebung jener Auszahlung, wo möglich, mit einigen Zeilen zu unterstützen, da ich der Einzige in Hersfeld sei, der Ew. Wohlgeb. persönlich kennte. Obschon ich nun nicht ermessen kann, ob und in wie weit Sie auf meine Worte in dieser Angelegenheit Gewicht legen können und wollen, weil ich mit dem Wechselgeschäft durchaus unbekannt bin, so habe ich doch Hn. Schuster seine Bitte an mich um so weniger abschlagen wollen, da wir mit seinem Hause sehr befreundet sind und ich mit seinen Verhältnißen ziemlich genau bekannt. Insofern kann ich auch bezeugen, daß sein Brief1 an Sie durchaus nur Wahres enthält und daß seine augenblickliche Verlegenheit nur von Ausgaben und Umständen herrührt, an die er nicht denken konnte. Sein Geschäft ist gut und vergrößert sich von Tag zu Tag, das von Schuster redigirte Volksblatt „Der Hessenbote“2 hat über 1000 Abonnenten und ist noch immer im Steigen! Unter diesen Verhältnißen wird Ihnen aus der Gewährung der vorgestellten Bitte keinesfalls Nachtheil erwachsen und ich bin auch überzeugt, daß Sch. Den Wechsel auch im Augenblick auszahlen würde, aber gewiß würde es ihm wehe thun. Doch wozu noch mehr Worte, da Sie Hn. Schuster, wie mich Ihre bekannte Güte hoffen läßt, ohnedem, im Fall es Ihnen möglich ist, seine Bitte erfüllen werden.
Was unsere musikalischen Verhältnisse betrifft, so stehts damit nicht zum besten. Zwar singt und spielt meine Frau gut, auch haben wir uns mit einigen Andern, die nach unserer Art musiciren, vereinigt, um größere Stücke aufzuführen, allein im Allgemeinen werden wir dadurch nicht befriedigt. Ich sehne mich nach einem Quartett und Quintett, und meine Frau denkt oft an die Berliner Oper zurück. Daß wir Ihre Duetten für Geige und Clavier spielen, versteht sich und wir haben uns schon oft gewünscht, es möchte [Ihn]en doch gefallen, auch Lieder mit Clavier [und] Geige zu schreiben, die jetzt immer mehr in den Gang zu kommen scheinen. Ich habe alle Kataloge durchstöbert, um derartige Musik aufzufinden, allein die Ausbeute war gering. 3 Gesänge von Kalliwoda, 1 Lied von Krebs, – einige kleinere von demselben mißfielen uns – 1 Lied von Proch, das ist Alles; es giebt zwar noch einige, aber für Alt oder Bariton, die wir nicht brauchen können. Mit der größten Freude würden solche Compositionen von uns begrüßt werden, wenn Ihr Name auf dem Titel stünde.
Doch um Sie nicht länger zu ermüden, schließe ich. Die Angelegenheit des Hn. Schuster Ihnen nochmals empfehlend, habe ich die Ehre, zu unterzeichnen

Ew. Wohlgeboren
ganz ergebester Wiskemann

Hersfeld,
d. 2ten August
1842



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Wiskemann, 28.01.1841. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Wiskemann an Spohr, 24.04.1844.

[1] Dieser Brief ist derzeit verschollen.

[2] Vgl. Deutscher Zeitungs-Katalog. Verzeichnis der in deutscher Sprache erscheinenden periodischen Schriften, 3. Aufl., Leipzig 1845, S. 64.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Wolfram Boder (05.02.2018).