Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Sr. wohlg.
Herrn Dr Louis Spohr
kurf. Hofkapellmeister
in
Cassel

p. E.1


Wien d 21. July 42.

Hochzuverehrender Herr Kapellmeister!

Meine Schwägerin2 wird Ihnen meinen Wunsch wegen meines Sohnes Moritz bereits vorgetragen haben. Nun scheint der Ruf den Hauptmann nach Leipzig bekommen hat, und den er vielleicht annehmen wird, doch meinem Plan einen kleinen Querstrich zu machen. Ist dem so, so zöge ich allerdings vor, ihn erst zu Hauptmann zu schicken, wo er die Harmonie studiren und sich bey David in der Violine recht perfektioniren könnte – u wir in der Art ein Gewinn für +3, daß er zu Ihnen recht ordentlich vorbereitet käme. Sein bisheriger Unterricht ist so ein modernes Stückwerk, das keinen rechten Grund hat, trotz der besten Lehrer die ich für ihn auftreiben konnte. Hier sieht es damit kläglich genug aus. Sein gegenwärtiger Lehrer, H. Helmesberger, Direktor im Theater am Kärntnerthor, Professor am Conservatorio, u. was weiß ich alles, geht nur zu sehr auf ein gewisses Produzierwesen aus, jede Narrheit, die zufällig Mode wird, müssen die Jungens gleich nachmachen, und ich möchte meinem Jungen zu einem ehrenfesten Musiker und zu keinem Dutzendvirtuosen machen. Sie werden also manches Kreutz(???) mit ihm zu bestehen haben, zumal wenn Hauptmann in C. bleibt, und Sie ihn denn wie ich4 Sie darum inständigst bitte, sogleich zu übernehmen die Güte haben werden.
Unter meinen Schülern habe ich zwei Tenoristen. Der eine5 war bereits auf dem Theater, weil es aber an Ausbildung der Stimme und des Vortrags mangelte, so wollte es mit ihm nicht vorwärts. Ich habe ihn seit September v. J. in der Arbeit, und glaube daß er so jetzt mehr Erfolg wagen kann, wieder auf die Bretter zu gehen. Die Stimme, von c bis a ist gut, fest musikalisch; und wird sich für Gesangsparthien besonders eignen, für Spielparthien dürfte weniger zu hoffen seyn. Ich könnte ihm auch darin nichts absprechen, weil ich ihn nie da oben gesehen habe. Der 2te6 ist eigentlich noch begabter, die Stimme ist stärker, und fast noch umfangreicher, er praktizirt gegenwärtig in einem kaiserl. Amt, und will auf eine Bürde seine Lust folgen und den hohen Sprung aufs Theater wagen. wenn Sie eines dieser Subjekts oder beyde7 brauchen können so wären sie zu haben – auf Probe vielleicht – die Pretensionen8 wäre nicht groß, und beyde geholfen, und vielleicht auch mir. Ordentliche Leute sinds. Einstudirt haben Sie bey mir mancherley, darbieten könnten Sie in Jessonda, Zauberflöte, Entführung, Ifigenia (Pylade), Freyschütz, Ottavio9, Belisario, Norma, Montechi u. s. w. Den ersten hörte neulich der Direktor10 von Breslau, und er gefiel ihm so daß er, obgleich er noch auf ein Jahr seinen Tenoristen engagirt hat, dem meinigen eine Sustensionsgage11 anbot. Auf jeden Fall glaube ich würde Sie mit einem oder dem andern nicht schlecht fahren. Es wäre mir lieb, wenn Sie mir durch ein paar Zeilen, oder auch Hauptmann Ihre Gesinnung über vorstehende Angelegenheit eröffnen wollten.
Meine Frau empfiehlt sich Ihnen und Ihrer Frau Gemahlin bestens.

Hochachtungsvoll ergebenst.
Franz Hauser



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Hauser an Spohr, Ende Januar oder Anfang Februar 1829. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Hauser an Spohr, 19.03.1845.

[1] „Schließt man den Brief Jemanden zur Uebergabe bei, so schreibt man auf die Adresse: ,Durch Inlage‘ – ,durch Beischluß‘ – ,durch Einschluß‘ – ,durch Güte‘ oft auch abgekürzt nur die Anfangsbuchstaben: d. I. – d. B. – pr. E. – d. G. –“ (Neuester und vollständigster deutscher Universal-Muster-Briefsteller, sowie österreichischer Privat-Geschäfts-Secretär, welcher alle im bürgerlichen Leben vorkommenden schriftlichen Aufsätze zu verfassen lehrt, Bd. 1, o.O. [1842], S. 124).

[2] Noch nicht ermittelt.

[3] Die mit diesem Zeichen angedeutete Text-Ergänzung am Seitenrand fehlt.

[4] „ich“ über der Zeile eingefügt.

[5] Noch nicht ermitttelt.

[6] Noch nicht ermitttelt.

[7] „oder beyde“ über der Zeile eingefügt.

[8]Prätension, die Anforderung, Anmaßung, der Anspruch“ (Friedrich Erdmann Petri, Gedrängtes Deutschungs-Wörtebuch der unsre Schrift- und Umgangs-Sprache, selten oder öfter entstellenden fremden Ausdrücke, zu deren Verstehn und Vermeiden, 3. Aufl., Dresden 1817, S. 370).

[9] Don Ottavio = Rolle in Don Giovanni von Wolfgang Amadeus Mozart.

[10] Eugen von Vaerst (vgl. Almanach für Freunde der Schauspielkunst 7 (1842), S. 138).

[11]Sustentation, I. die Verpflegung, Erhaltung, der Unterhalt“ (ebd., S. 447).

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (05.12.2022).