Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

London
den 21 Juni 1842 –

Verehrtester Herr Kappellmeister!

in den letzten Tagen hab ich erfahren daß wir nunmehr keine Hoffnung haben Sie und Ihre Frau Gemahlin in London begrüssen zu können1, und ich kann kein Augenblick vorübergehen lassen ohne mein grosses Bedauern hierüber auszudrücken. Wir hatten uns so darauf gefreut und ich haben beynah angefangen die Wochen zu zählen, wann ich zufällig Taylor sah, der mir diese traurige Geschichte erzählt hat. Die Abreise eines Freundes giebt mir Gelegenheit Ihnen diese Zeilen zu schreiben, und wenn mein Brief sehr kurz und unverständlich seyn sollte, Sie werden gewiß nicht an seine Aufrichtigkeit zweifeln, denn ich kann Sie versichern diese Nachricht hat meine ganze Familie fast wie ein Schlag gerührt, so unerwartet war Sie.
es freut mich sehr über die Aufführung Ihre Symfonie2 sehr viel erfreuliches sachen3 zu können. Sie ist zweimal sehr fleißig probirt worden, jedes Mal hat die Probe über4 drei Stunden gedauert, welche für England sehr viel heissen will. im Concert ist es vortrefflich gegangen die Solo instrument haben sich recht zusammen genommen, und die Aufnahme beim Publicum war für das Werk äußerst vortheilhaft besonders haben der zweite und letzte Satz gefallen. Blagrove hat recht schön geschpielt5, und ich kann die Versicherung geben daß Sie mit der ganzen Aufführung sehr zufrieden seyn dürfen.6
Die Saison ist dies Jahr sehr lebhaft und schön gewesen. Die Concerte der Philharmonischen Gesellschaft sind leider aber dermassen schlecht ausgefallen daß die7 Gesellschaft warscheinlich8 aufgelöst seyn wird in dem letzten Concert ist eine sehr schöne Symphonie von Mendelssohn aufgefürht9 die Er selbst dirigirt hat.10 Das Werk gehört zu seinen schönsten.
Was mich betrifft so arbeite ich immer fort ich habe in der letzten Zeit so viele Stunden zu geben gehabt daß ich wenig componirt habe; aber ich werde bald wieder in dieser Hinsicht fleissiger seyn.
Zum Schluss bitte ich mein schönste Grüße an Madame Spohr der ich mich zu Füssen lege. ich hoffe nächstes Jahr mich wieder auf wenige Wochen in Cassel zu befinden.
Entschuldigen Sie diese schlecht geschriebenen Zeilen, aber die Zeit erlaubt mich nicht Sie durchzulesen.
Mit nochmals viele Grüße verbleibe ich
Verehrtester Herr Kappellmeister

Ihr ganz ergebener
Charles Edward Horsley

Autor(en): Horsley, Charles Edward
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Blagrove, Henry
Spohr, Marianne
Taylor, Edward
Erwähnte Kompositionen: Mendelssohn Bartholdy, Felix : Sinfonien, op. 56
Spohr, Louis : Irdisches und Göttliches im Menschenleben
Erwähnte Orte: London
Erwähnte Institutionen: Philharmonic Society <London>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1842062144

Spohr



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Horsley an Spohr, 23.12.1841. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Horsley an Spohr, 14.10.1845.

[1] Der Prinzregent Friedrich Wilhelm versagte Spohr den notwendigen Urlaub, um sein neues Oratorium Der Fall Babylons beim Musikfest in Norwich zu dirigieren (vgl. Spohr an Iganz Moscheles, 09.06.1842; Spohr an Edward Taylor, 10.06.1842).

[2] Irdisches und Göttliches im Menschenleben.

[3] Sic!

[4] Hier ein Wort gestrichen („gute“?).

[5] Sic!

[6] Vgl. Moscheles an Spohr, 07.06.1842.

[7] „die“ auf „sie“ korrigiert; danach gestrichen: „wahr“.

[8] Sic!

[9] Sic!

[10] Vgl. G[eroge] A[lexander] Macfarren, „Symphony in A minor of Dr. Felix Mendelssohn Bartholdy“, in: Musical World 17 (1842), S. 185ff.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (22.04.2022).