Julius Schuberth an Louis Spohr in Kassel

Geliebter Freund!

Heute gebe ich Ihnen Bericht über die Arbeiten des Norddeutschen Musikvereins.
1) Die Ihnen zur Unterschrift übersandten Cirkulare habe ich prompt zurück empfangen. Der Inhalt dieses Circulars ist sofort in allen hamburgischen Zeitungen abgedruckt worden mit Hinzufügung von etwa 40 Nahmen (sic!) berühmter Virtuosen etc. welche direct aufgefordert, im Fall, einer oder der Andere Brief nicht an seine Adresse gelangen sollte.¹
2) Daß sich eine unfreundliche Stimme gegen unser Comité hat vernehmen lassen², wird Ihnen nicht entgangen³ seyn – unsere Antwort⁴ war die einliegende, welche allgemein im Publikum ansprach und gewiß auch Ihren Beifall haben wird.
3) Zufolge der Aufforderung des Comité's sind schon 3 Geldbeiträge eingegangen – laut Einlage⁵. Sie werden zugleich daraus ersehen daß wir Ihre mit unterschriebene Aufforderung besonders durch Aufführung „der letzten Dinge“ zu ehren suchten.
4) Von den eingegangenen Geldern werden zunächst Noth leidende Musiker unterstützt & sind heute schon einige Summen ausgetheilt worden. Nach Schluß der sämmtlichen Eingänge & Vertheilungen erhalten Sie geehrter Freund, practische Abrechnung.
Unser guter braver Schwenke hat fast Alles verloren. Es ist ein Jammer den Mann unter diesen Umständen (in Hamburg)⁶ leiden zu sehen. Ich denke indeß der Comité soll denselben mit einer anständigen Summe von ca. 500 Rth. unterstützen. Es ist nur nicht leicht für uns einem Collegen zu helfen – da wir jeden Schein von Parthei vermeiden müssen – da namentlich ich für gewissenhafte Vertheilung & Cassenführung verantwortlich bin. Heute werde ich von Schwenke eine Specification seines Schadens erhalten; mit dieser werde ich mich dann sofort an die obere Behörde wenden & eigens für den Schwenke schon Kosten Consenz holen, weil 500 Rth. schon ziemlich bedeutend ist & ich bei unsern Comité Mitgliedern ohne Verantwortung & Nachreden bleiben muß.
Soweit in Sachen des Norddeutschen Musikvereins.
Was mich betrifft namentlich mein Geschäft, so können Sie leicht abnehmen wie es hier mit uns steht. Es sind 2100 Häuser ohne die Buden abgebrannt mit ca 35.000 Bewohnern – 3 mal habe ich flüchten müssen. Die Noth & das Elend sind uns schrecklich, alle Geschäfte haben vor der Hand aufgehört. Die vom Unglück heimgesuchten Capitalisten, welche ihre Gelder in Grundstücke legten, sind jetzt mit den Armen in gleicher Lage, da die hiesigen Feuerkassen vor der Hand nicht zahlen können & später vielleicht nur zum Theil. So ist der kleine & große Mann ruinirt & die vom Glück begünstigten nicht abgebrannten Häuser befinden sich ebenfalls (wenn nicht besonderer Reichthum vorhanden) in drückender Lage, da ihre vom Geschäft herrührenden hiesigen Geldforderungen größtentheils verloren sind; – denn augenblicklich denkt fast Niemand an Erfüllung seiner Verbindlichkeiten. Dagegen werden die vom Brande verschonten Handlungsführer & Handwerker die durch den Stillstand des Geschäfts & Geldverlust schon gedrückt sind, von diesen Unglücklichen auf jede Weise in Anspruch genommen, so daß überall Sorgen & Noth hervorblicken. Wir gehören Gottlob zu den Nichtabgebrannten, wenngleich wir einen Theil unserer Lager welche in der Stadt zerstreut waren – verloren haben. Jetzt muß ich also doppelt thätig seyn um das Verlorne wiederzugewinnen. In Bezug auf unsere Verbindung komme ich auf meinen Brief⁷ (von April vor meiner Abreise zur Messe) zurück und erkläre mich hiermit bereit zur Annahme der Sinfonie f. Doppelorchester & des 2^tn Pianoforte Trios mit der dringenden Bitte mir – meine jetzige Lage Rücksicht nehmend – die Honorar⁸ Preise auf das allerniedrigste zu stellen, ich verpflichte mich indeß die Sinfonie⁹ Partitur auf das Eiligste herzustellen & die Orchesterstimmen nachfolgen zu lassen.
Das Honorar welches Sie für das Trio fordern werden – erhalten Sie mit umgehender Post franco; dagegen bitte ich Sie für das Sinfonie Honorar – mir Zeit zu lassen; ich denke Sie werden das auf 300 Rth. festgestellte Honorar auf 250 Rth. ermäßigen & im Fall Ihrer Beistimmung mögen Sie was Sie fertig haben sogleich absenden & die Arrangements gelegentlich folgen lassen.
Die Partitur werde ich in einer Pracht herstellen – wie noch Nichts existirt – & zwar mit Ihrem Portrait voran gebunden.
Ich hoffe Sie werden mich mit umgehender Post¹⁰ durch eine zusagende Antwort erfreuen.

Ganz der Ihrige
Julius Schuberth