Autograf: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohnarchiv (D-B), Sign. Mus.ep. Spohr-Correspondenz 2,129
Inhaltsangabe: [Ernst Rychnovsky], Beschreibendes Verzeichnis der Autographen-Sammlung Fritz Donebauer in Prag, 2. Aufl., Prag 1900, S. 190
Autograf: letzter Nachweis siehe Beleg 3
Inhaltsangabe: [Ernst Rychnovsky], Beschreibendes Verzeichnis der Autographen-Sammlung Fritz Donebauer in Prag, 2. Aufl., Prag 1900, S. 189
Beleg 1: Autographen-Sammlung enthaltend Musiker-Briefe und Musik-Manuskripte aus dem Nachlasse des berühmten Komponisten Louis Spohr (1784-1859) nebst Beiträgen aller Art (Fürsten,Staatsmänner, Dichter, Gelehrte, Künstler, etc.) aus dem Besitz eines bekannten Berliner Sammlers. Versteigerung zu Berlin Montag, den 15. und Dienstag, den 16. Oktober 1894 (= Katalog Liepmannssohn), Berlin 1894, S. 59f.
Beleg 2: Sammlung Fritz Donebauer, Prag. Briefe, Musik-Manuscripte, Portraits zur Geschichte der Musik und des Theaters. Versteigerung vom 6. bis 8. April 1908 (= Katalog Stargardt), Berlin 1908, S. 97
Beleg 3: Georg Kinsky, Versteigerung von Musiker-Autographen aus dem Nachlaß des Herrn Kommerzienrates Wilhelm Heyer in Köln im Geschäftslokal der Firma Karl Ernst Henrici. Montag, den 6 und Dienstag, den 7. Dezember, Bd. 1, Berlin 1926, S. 100

Sr. Wohlgeboren
Herrn Hof-Kapellmeister
Louis Spohr
Cassel
Germany.
 
 
London den 16ten April 1842
 
Geschätzter Freund
 
Viele Ihrer Verehrer sehen noch immer mit Ungeduld der ersten Aufführung Ihrer Doppel Sinfonie entgegen. Ich bedaure hauptsächlich daß ein unerklärlich rohes Benehmen der Direction der Philh. Concerte gegen mich, einen Bruch zwischen uns herbey geführt hat, der der Aufführung Ihres Werkes vor der Hand entgegen steht. Ich muß Ihnen den Hergang der Sache erzählen, damit Sie nicht glauben daß ich mit leichtem Sinn meine Dienste der Gesellschaft vorenthalte, sondern daß ich nothgedrungen durch grobe Behandlung bin mich endlich von Ihrer erniedrigenden Behandlung zurück zu ziehen.
Als das 1te Philh. am 14t März d. J statt fand, war meine Frau bedeutend krank, und ich wollte deswegen nicht hingehen, wollte aber statt uns, eine eine Freundin (die eben meine Frau völlich(???) gepflegt hatte,) mit ihrem Mann dahin schicken; da aber die Billette der Members nicht transferable sind, so fragte ich meinen alten Freund Franc. Cramer (einen der Directoren) ob mir die Direction nicht 2 Billette für diese Gelegenheit geben wollte. Dieser versprach den Mit-Directoren meinen Wunsch zu eröffnen.
Als Bescheid hierauf erhielt ich die trockne Antwort von Mr Watts (Secretair) daß die Directoren bedauern meinen Wunsch nicht erfüllen zu können indem die Gesetzte der Gesellschaft es nicht erlaubten, u da ich das Recht habe 2 Billette zu bekommen an dem Abend wo ich dirigiren sollte, so schickten sie mir anticipando die 2 Billette, es mir überlassend ob ich sie gebrauchen wollte1 oder nicht. Ich hätte sie zurück geschickt, wenn ich sie nicht schon der genannten Dame angetragen hätte, u so macht ich Gebrauch davon. Am 21sten März frägt Mr Watts an ob ich bereit sey, die erste Probe Ihrer Sinfonie am 30t zu dirigiren. Ich schrieb folgende Antwort: Sie können die Directoren benachrichtigen daß ich zur Probe bereit seyn werde, zugleich wollen sie ihnen sagen: indem sie nicht wollten oder konnten mir die Bitte um 2 Billette2 gewähren (welche unter besonderen Umständen gemacht wurde), und erwägend daß ich stets ihre Concerte gratis dirigirte, müßte ich es mir jetzt zur Bedingung machen 6 Billette zu bekommen an dem Abend wo ich dirigiren sollte3. Hierauf schrieb mir Mr Watts (am 23sten März) daß er meinen Brief den Directoren mittheilen wird. Die Probe fand statt (wie Sie wissen) u am 6ten April schreibt mir Mr Watts wieder, daß die Directoren meinen, ich habe4 eine falsche Ansicht über das Verfahren5 derselben in Beziehung auf die 2 Billetten u es war ihnen gänzlich unmöglich (totally out of their power) mir meinen Wunsch zu erfüllen. Sie hofften dennoch daß ich ihnen den Gefallen (the favor)6 erweisen wollte Ihre Sinfonie im nächsten Concerte am 18t d. zu dirigiren, aber was meine Bedingung wegen 6 Billetts betrifft, bedauerten sie gezwungen zu seyn mir sie abzuschlagen indem die Gesetze der Gesellschaft dies nicht erlaubten.
Glauben Sie mir, es hat mir viele Überwindung gekostet folgende Antwort (Tags darauf) zu schreiben: Ich kann mich nicht davon überzeugen daß ich eine solche Ansicht gehabt hatte als ich mich beleidigt fand wegen der abschlägigen Antwort der Directoren bey Gelegenheit der 2 Billette um welche ich sie gebeten hatte u da sie glaubten daß die Gesetze der Gesellschaft ihnen verböten einer gemachten Bedingung für die Direction eines Concerts genüge zu leisten, während ich recht gut wiße daß die Directoren keiner Controle unterliegen, für welches Honorar sie Künstler zu den7 Concerten engagirten, u daß ihre Billigkeit u ihre8 persönlichen Rücksichten gegen Dienste(?) (die umsonst ihre Dienste widmen) keine Schranken gesetzt sind, müßte ich es ablehnen das nächste Concerte zu dirigiren.
Hierauf hörte ich weiter gar nichts, u9 war in Ungewißheit bis heute ob Ihre Sinfonie gemacht werden soll.
Ich habe bloß erfahren daß bey der heutigen Probe Ihre D moll Sinfonie10 nebst der A dur von Beethoven gemacht wurde. Potter dirigirte. Molique spielt ein Concert. Der Harfen Spieler Parish Alvers gibt ein Solo. Am 11ten April schreibt mir11 Mr Watts wieder im Nahmen der Directoren ob ich im 4ten Concerte am 2ten May ein Clavier Concert spielen wollte. Sie könnten mir die Hälfte des gewöhnlichen12 Honorars nehmlich 5 Guineen anbieten, weil es so beschloßen worden sey in vergangener Saison, daß ansäßige Künstler nicht mehr haben sollten.
Meine Antwort war folgende: Die Ursache wegen welcher ich der Direction eines Concertes entsagte, ist dieselbe die mich bestimmt weder im 4ten noch in einem andern Philh. Concerte diese Saison zu spielen.
So steht die Sache. Ich kann mir nicht erklären woher dieses trotzige Verfahren der Direction kommt, weil ich mit keinem von ihnen den mindesten Zwist oder Streit hatte, es ist also nichts als eine Art intrique, Mißgunst oder Neid. Fraçois Cramer ist mein alter Freund [der wie ich höre ganz indignirt über das Verfahren seiner Kollegen ist, an welchem er keinen Antheil haben soll.]13 Sterndale Bennett hat mir ein Concert dedicirt u ich habe ihm erst vor einigen Wochen eine neue Composition14 gewidmet, Blagrove besucht mich oft, mit den anderen: Anderson, T. Cooke u. Calkin habe ich keinen Umgang. Wer also der Judas unter ihnen ist weiß der da oben am besten. –
Ich hoffe daß andere Mittel gefunden werden, Ihre Sinfonie bald und würdig zur Aufführung zu bringen, u wenn eine Versöhnung zwischen mir und den Direktoren statt finden kann, so werde ich mich glücklich schätzen mein Schärflein zur Aufführung Ihres herrlichen Werkes15 bey zu tragen.
 
Bis dahin bleibe ich mit Hochachtung
u Freundschaft der Ihrige
I. Moscheles



Der letzte Brief dieser Korrespondenz ist Charlotte Moscheles an Spohr, 12.04.1842. Spohr beantwortete diesen Brief am 22.04.1842.
 
[1] „wollte“ über gestrichenem „will“ eingefügt.
 
[2] Hier gestrichen: „zu“.
 
[3] „sollte“ über der Zeile eingefügt.
 
[4] „habe“ über gestrichenem „hätte“ eingefügt.
 
[5] Hier gestrichen: „der“.
 
[6] „(the favor)“ über der Zeile eingefügt.
 
[7] „zu den“ über gestrichenem „für die“ eingefügt.
 
[8] „ihre“ über der Zeile eingefügt.
 
[9] Hier gestrichen: „wir“.
 
[10] Op. 49.
 
[11] „mir“ über der Zeile eingefügt.
 
[12] „gewöhnlichen“ über der Zeile eingefügt.
 
[13] Am linken Seitenrand eingefügt.
 
[14] „neue Composition“ über der Zeile eingefügt.
 
[15] „Ihres herrlichen Werkes“ über der Zeile eingefügt.
 
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (03.05.2017).