Autograf: Spohr Museum Kassel (D-Ksp), Sign. Sp. ep. 1.1 <18420329>
Beleg: Autographen. Historische Autographen, literarische Autographen, Musiker, Schauspieler und bildende Künstler, Stammbücher. Versteigerung am 20., 21. und 22. Oktober 1926 (= Katalog Liepmannssohn 48), Berlin 1926, S. 174f.

Sr. Wohlgeb
dem Herrn Oberorganist
Adolph Hesse
Breslau.
 
franco.0
 
 
Cassel den 29sten
März 1842.
 
Lieber Freund,
 
Ich darf Sie nun nicht länger auf einen Brief warten lassen, obgleich die Veranlassung, warum ich meinen Dank für die Orgelsachen1 verzögerte, noch immer besteht. Sie wünschen zu wissen, ob ich nach England gehen und hierüber hat sich eben noch nichts entschieden. Die einige Weise, wie ich den Urlaub erhalten kann, ist, wenn der Prinz Albert oder wenn dieser nicht will, der Herzog von Cambridge an unseren Prinzen ebenfals eigenhändig schreibt. Dieß will das Comitée des Norwicher Musikfestes vermitteln und die Zeit, wo es geschiehen sollte, ist nun herangekommen. Binnen kurzen muß sich daher alles entscheiden und ich werde Ihnen das Resulat sogleich mittheilen. Wir hoffen übrigens auf ein günstiges, denn es würde mir und meiner Frau unendlich schmerzlich seyn1a auf diese Reise zu verzichten, nachdem wir nun 3 Jahr darauf gewartet haben. Meine Frau hat seit unserem ersten Aufenthalt die Sprache so studirt, daß Sie wie eine geborene Engländerin spricht. – Es werden uns zwei junge Cousinen2 meine Frau begleiten, die in England bleiben sollen. Dieser Reisegesellschaft, die auch vieleicht noch durch Frau von Malsburg vermehrt wird, könnten Sie sich nun auch ohne weiteres anschließen, da wir bis Frankfurt oder Cölln2a mit dem Eilwagen und dann auf die Eisenbahn und zu Wasser bis London eilen werden. – Sobald mein Hingehen entschieden ist, werde ich Herrn Tailor Ihr Mitkommen melden und versuchen, ob ich Ihnen ein Engagement als Mitwirkender beym Musikfest verschaffen kann. Ob dies gelingen wird, ist freilich noch sehr ungewiß. – Die Einladung zum Mozartfeste, welche sich so verzögert2b, daß es nun auch in den September fällt3, habe ich nun sogleich ablehnen müssen. Ich wurde aufgefordertan einem der Tage zu dirigiren und meine 5te Symphonie zu geben.
Daß wir während der Ferienzeit (von Mitte Juni bis Ende Juli,) nach Carlsbad gehen werden und sehr hoffen, Sie dort zu treffen, wissen Sie schon. Recht lieb ist es uns, daß Sie dieses Mal nicht als Dilettant dort seyn und ehrliche Badegäste mit Ihrem Erdbeeressen4 ärgern werden; obgleich es uns auch ebenso leid thut, daß Sie der Kur bedürfen. Das nöthige Geld für beydes, die Kur und die [Eng]lische Reise werden Sie schon aufzu[treiben] wissen! – Nach Carlsbad hoffe ich [nach] dem Schlus der Ferien noch einen [kleinen] Abstecher auf einige Tage nach Berlin machen zu können. Seit 1824 war ich nicht dort.
Von meinen neuen Arbeiten und diesjährigen Musikaufführungen erzähle ich Ihnen mündlich. Von ersteren werde ich auch einiges mit nach Carlsbad bringen; unter andern ein 2tes Trio für Piano Violine und Cello.
Leben Sie wohl. Sobald etwas über die Reise entschieden ist, das Weitere!
 
Von Herzen der Ihrige Louis Spohr.



Dieser Brief ist die Antwort auf Hesse an Spohr, 18.03.1842. Der nächste Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Hesse, 16.06.1842.
 
[0] [Ergänzung 16.12.2021:] Auf dem Adressfeld befindet sich rechts oben der Poststempel „CASSEL / 29 / 3 / 1842“, rechts unter dem Adressfeld befindet sich der Stempel „N / 2 / 4 / 2“ sowie ein weiterer, stark verwischter, vermutlich identischer Stempel.
 
[1] Vgl. Hesse an Spohr, 31.01.1842.
 
[1a] [Ergänzung 16.12.2021:] „seyn“ über der Zeile eingefügt.
 
[2] Noch nicht ermittelt.
 
[2a] [Ergänzung 16.12.2021:] „Cölln“ über gestrichenem „Düsseldorf“ eingefügt.
 
[2b] [Ergänzung 16.12.2021:] Hier gestrichen: „hat“.
 
[3] Vgl. „Das Mozartfest in Salzburg”, in: Pannonia 6 (1842), S. 411; J.W-e., „Die Musikaufführungen bei dem Mozartfeste in Salzburg”, in: Wiener allgemeine Musik-Zeitung 2 (1842), S. 465f. 
 
[4] Erdbeeren galten beim Gebrauch des Brunnenwassers als schädlich (vgl. Gottlob Carl Springsfeld, Abhandlung vom Carlsbade, nebst einem Versuch einer Carlsbader Krankengeschichte, Leipzig 1749, S. 314; darauf Bezug nehmend: Eduard Hlawáček, „Abriss der vorzugsweise medizinischen Geschichte von Carlsbad”, in: Carlsbad, Marienbad, Franzensbad und ihre Umgebung vom naturhistorischen und medizinisch-geschichtlichen Standpunkte, hrsg. v. August Emanuel von Reuss, Prag und Karlsbad 1862, S. 191).
 
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (05.05.2015).