Autograf: Universitätsbibliothek Kassel – Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287
Coburg am 24sten März 1842
Hochverehrter Herr Kapellmeister!
Die wohlwollende Freundlichkeit, mit welcher Ew. Wohlgeboren im Lauf des vergangenen Jahres ein Schreiben1 meines Schwagers, des hiesigen Capellmeisters Friedr. Moericke, beantworteten2, die liebevolle Theilnahme, mit welcher die Sie sich noch der in jenem Schreiben vorgetragenen Bitte der Angelegenheiten eines Ihnen ganz fremden Menschen, meines Bruders annahmen3, ermuthigt mch, Ew. Wohlgeboren noch einmal mit derselben Ihnen beschwerlich zu fallen.
Mein Bruder nämlich, der auf dem Conservatorium in Prag gebildete u. seither in Lemberg in Galizien als erster Violoncellist angestellte Musiker Selmar Bagge, für welchen Ew. Wohlgeboren im vorigen Jahr die Güte hatten, sich – freilich ohne Erfolg, in Meiningen zu verwenden, ist wahrscheinlich schon in diesen Tagen auf dem Rückweg nach Deutschland begriffen, um sich, da er in Lemberg zwar Wille, aber nicht Gelegenheit zu seiner künstlerischen Weiterbildung gefunden, ein neues Engagement zu suchen. Wir, seine Angehörigen, haben diesen Schritt nach reiflicher Ueberlegung gebilligt, wil wir überzeugt sind, daß ein junger Künstler von solchen Gaben und von solcher Tüchtigkeit dennoch sein Unterkommen finden wird, und daß man, um einem so regen Geist Gelegenheit zu seiner Entwicklung zu geben, um die Zukunft nicht so gar ängstlich besorgt sein muß. Da wir nun gehört haben, daß der erste Violincellist an der Ihrer Leitung übergebenen Capelle gestorben ist, so wende ich mich an Ew. Wohlgeboren mit der bescheidenen Anfrage, ob vielleicht mein Bruder, wenn Sie die Tüchtigkeit an ihm finden, in welcher er Ew. Wohlgeboren vorgestellt worden ist, sich Hoffnung machen dürfte, in Cassel eine Unterkunft zu finden. Wenn Ew. Wohlgeboren im Stande sein sollten, ihm das in Aussicht zu stellen, so würden wir meinem Bruder sogleich nach seiner Ankunft bei uns, die dann auch beschleunigt werden könnte, veranlassen, nach Cassel zu reisen, um sich Ew. Wohgeboren vorzustellen. Ich denke es mir freilich nicht als wahrscheinlich, daß meine bescheidene Anfrage von Erfolge sein wird: aber der Gedanke, daß das aufstrebende Talent meines Bruders in die Athmosphäre eines Meisters, wie Sie sind, kommen könnte, läßt mich auch eine fernliegende Möglichkeit mit freudigem Vertrauen ergreifen.
Da mein Schwager in seinem Schreiben das Genauere über die Leistungen meines Bruders Ew. Wohlgeboren mitgetheilt hat, so brauche ich Sie nicht mit Mehrerem zu ermüden, und bitte also Ew. Wohlgeboren nochmal um gütige Nachsicht wegen des an Sie gestellten Gesuches. Ew. Wohlgeboren würden mich zu dem größten Danke verbinden, wenn Sie mir, falls Sie im Stande wären, für meinen Bruder Etwas zu thun, gefälligst Nachricht darüber zukommen lassen wollten.
Unter der Versicherung der ausgezeichnetsten Hochachtung habe ich die Ehre, mich zu unterzeichnen
Ew. Wohlgeboren
gehorsamster Diener
Oskar Bagge,
Lehrer an der lateinischen Schule
zu Coburg.
Autor(en): | Bagge, Oskar |
Adressat(en): | Spohr, Louis |
Erwähnte Personen: | Bagge, Selmar Möricke, Friedrich |
Erwähnte Kompositionen: | |
Erwähnte Orte: | Lemberg |
Erwähnte Institutionen: | Hofkapelle <Kassel> Hofkapelle <Meiningen> Konservatorium <Prag> |
Zitierlink: | www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1842032446 |
[1] Dieser Brief ist derzeit verschollen.
[2] Dieser Brief ist derzeit verschollen.
[3] Vgl. Spohr an Eduard Grund, 24.08.1841.
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (02.09.2024).