Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287 (teilweise)

Catlenburg am 16ten März 1842.

Beurtheilen Sie nachsichtig, mein innigst verehrtester Gönner! daß meine Frau an dem jetzigen Schluße der Wurst-Saison, – wenn gleich es damit eigentlich wohl bereits hors-de-saison ist! – der Hoffnung u dem Wunsche nicht entsagen kann, daß ein Stückchen davon Ihnen noch gut schmecke! – Und finden Sie es nach dortigen auch allgemeineren Geschmack paßlich, und bey der schon so herrlich strahlenden Frühjahrssonne nicht etwa so zu sagen lächerlich: so geben wir anheim, auch dieses Mahl der Frau von Malsburg eine Leberwürstel, wie Ihrer verehrten Frau Tochter1 ein Theilchen dieser Schlußsendung unter unseren ehrerbiethigst herzlichsten Empfehlungen präsentiren lassen zu wollen.
Noch immer begleiten mich auf Schritt u Tritt, u bey allem was ich thue u treibe ein[en] sehr erheiternden Hintergrund bildend, gar viele der tief ergreifenden Melodien und Harmonien Ihres dort wiederum genossenen Meisterwerks und Ausführungen von verschiedensten Genre’s! – – Wahrlich – – nichts fehlte, als das Donnerstags eine Ihrer Opern statt des fatalen Berliners2, um eine beyspiellose Reise erhabend genußreicher vier Tage hintereinander erhascht zu haben! –
Viel habe ich Vorgestern Abend an die dortige Aufführung des Faust gedacht! – u ich konnte egoistisch genug seyn zu wünschen, daß irgend ein Zufall dieselbe am Meß-Montage passiert habe, und solche nun zum Oster-Montage bestimmt würde! – was mich denn allerdings verleiten dürfte, solchen alldort zu verweilen! – Vorausgesetzt, daß nicht etwa noch irgend ein unerbittlicher Deus ex machina mich zurückhalte, am Grün-Donnerstage Morgen zu der Nachmittags-Oratoriums-Probe dort einzutreffen! –
Mit großem Interesse habe ich aus Hamburg gelesen, daß Molique daselbst namentlich auch zwey Ihrer Solo-Quartetten also vorgetragen hat, wie, – außer Ihnen Selbst natürlich – noch kein anderer!3 – Das ist mir ein sicherer u wirklich trostreicher Beweis, daß auch dieser so viel ich weiß noch jüngere Geiger dem so Noth-thuenden Anti-Paganinischen Schutz- u Trutz-Damm u Wache angehöre; – für dessen glückliche Vertheidigung insbesondere auch Ihn unbeschreiblich anziehender u wahrhaft lieblich-genialer junger Schüler Bott unter Ihrer gediegenen Meisterschaft schwerlich zu einer der Haupt-Bastionen heran reifen wird! –
Doppelt gespannt bin ich nun, den Molique ein Mahl irgendwo zu erreichen. Auch hat mich sehr gefreut, daß der Pianist H Mortier de Fontaine hier sein erstes Pariser Concert, nach seiner Rückkehr aus unserem Deutschland, Ihr neues Trio angekündigt hat;4 – was doch auch zu bedeuten scheint, daß er einer solidiren Schule und Richtung angehöre, als der die italienischen Opern-[???] verarbeitenden! – die auch bey der größten Kunstfertigkeit am Ende doch immer, – nach etwa erster Ueberraschung, – seicht u langweilig bleiben muß, weil das Fundament selbst es ist. – Doch – ich vergesse ein Mahl wieder die Kostbarkeit Ihrer, der ganzen civilisirten Welt angehörenden, Zeit! –
Nichts hoffe u wünsche ich sehnlicher, als am Grün-Donnerstage von Ihnen wie Ihrer geistreichen [...]5

Autor(en): Lueder, Christian Friedrich
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Lueder, Wilhelmine Henriette Caroline
Malsburg, Caroline von der
Molique, Bernhard
Mortier de Fontaine, Henri Louis Stanislaus
Paganini, Niccolò
Wolff, Ida
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Trios, Vl Vc Kl, op. 119
Erwähnte Orte: Hamburg
Kassel
Paris
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1842031635

Spohr



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Lueder an Spohr, 23.12.1841. Spohrs Antwortbrief bis 21.03.1842 ist derzeit verschollen.

[1] Ida Wolff.

[2] Noch nicht ermittelt; möglicherweise ein Oper Gasparo Spontinis.

[3] Dieser Zeitungsartikel ist noch nicht ermittelt.

[4] Noch nicht ermittelt.

[5] Hier bricht das überlieferte Autograf ab.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (21.04.2021).