Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287
Druck: Louis Spohr, Louis Spohr's Selbstbiographie, Bd. 2, Kassel und Göttingen 1861, S. 232 (teilweise)

Hochverehrter Herr und Freund!

Ich beeile mich, Ihnen zu berichten, daß wir gestern Ihre schöne historische Symphonie im Concert spirituel aufgeführt haben und füge unser Programm bei. Sie ist gut gegangen, wir haben zwei tüchtige Proben gemacht, gar kein Versehen fiel vor und die meisten Nüancen wurden genau beobachtet. Das Publicum, im voraus darauf sehr gespannt, hörte sie mit vieler Aufmerksamkeit an und spendirte reichlichen Beifall dem ersten, zweiten und besonders dem letzten Satze. Bei dem dritten (Scherzo) war der Beifall etwas minder. Wir hielten wie Sie aus dem Programm ersehen werden, fest an dem Gedanken, keine Namen auf dem Zettel zu nennen. Dagegen ließ ich in die Theaterzeitung einen langen Aufsatz einrücken, in welchem ich Sie, aus Ihren Briefen an mich und Mechetti redend einführte, der Alles enthielt, erklärte und große Sensation in der musikalischen Welt machte.1 Sie können mit der Aufnahme Ihres schönen Werkes in Wien zufrieden sein, so wie wir es auch waren. Das ist das Resultat des Ganzen. Das Uebrige werden die Blätter sagen oder faseln, denn die musikalische Critik ist zum Theile hier in den erbärmlichsten Händen.2 Ich werde so weit ich kann, das Meinige dazu beitragen, daß Ihre Symphonie nach Verdienst besprochen wird. Dr Becker, der sich Ihnen vielmals empfehlen läßt, wird in der Musikzeitung einen eigenen Aufsatz darüber schreiben und fühlt sich durch Ihren Auftrag sehr geehrt.3 Was zur Sicherung Ihres Triumphes führen konnte, haben wir gethan, aus Verehrung, aus Hochachtung, aus Liebe und das ganze Orchester theilte unsere Empfindung. Leider! müßen wir in diesem Jahre, weil am Landhause gebauet wird, den schönen Landständischen Saal entbehren, der auch zum Erfolg begetragen haben würde. 1843 oder längstens 1844 haben wir ihn wieder und dann für immer. Dürften wir dann hoffen, daß Sie uns Ihre siebente Symphonie4 zukommen laßen? Wie gern hätte ich Sie darum in Carlsbad persönlich ersucht! aber ich habe einen Bau auf meinem Gute5 zu führen und muß meine Frau, der Carlsbad nicht gut angeschlagen, nach Rohitsch führen. Wir werden hier buchstäblich von Concerten überschwemmt, darunter ist der Violoncelist Servais der Matador6, wenn gleich Max Bohrer ein sehr tüchtiger Virtuose ist.7 Dafür gibt es so viel Mittelmäßiges, daß die Benamung: Concert, herabgewürdigt wird. Das deutsche Theater sinkt immer mehr, Staudigl, der No 2 und 4. des beigeschlossenen Programmes8 sang, ist noch der einzige lichte Stern. Viel Herzliches von den Meinigen und mir an Ihre Frau Gemahlinn und auch an Sie. Ich bin mit wahrer Verehrung und Freundschaft

stets der Ihrige
Lannoy.

Wien 11. März 1842
Stadt No 1142.



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Lannoy an Spohr, 24.08.1839. Spohr beantwortete diesen Brief am 20.03.1842.

[1] [Eduard von] Lannoy, „Spohr‘s historische Symphonie“, in: Allgemeine Wiener Musik-Zeitung 2 (1842), S. 121.

[2] „Die Concerts spirituels des Jahres 1842“, in: Wiener Zeitung (1842), S. 631f., hier S. 631; „Concerts spirituels“, in: Oesterreichisches Morgenblatt 7 (1842), S. 148f., hier S. 149; am positivsten: „Die Concerts spirituels unter der Leitung des Freyherrn von Lannoy, der HH. Holz und Tietze“, in: Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode (1842), S. 325f., hier S. 326.

[3] Alfred Julius Becher kündigte eine ausführliche Besprechung an, die dann jedoch nicht erschien („Concerts spirituels“, in: Allgemeine Wiener Musik-Zeitung 2 (1842), S. 149f.).

[4] Irdisches und Göttliches im Menschenleben.

[5] Wildhaus bei Marburg an der Drau.

[6] Vgl. „Dienstag, den 15. Februar“, in: Adler (1842), S. 163; „Concert des Hrn. Servais“, in: Humorist 6 (1842), S. 138; „Franz Servais“, in: Wiener Zeitung (1842), S. 371; A[lfred] J[ulius] Becher, „Concert des Hrn. François Servais im Saale des Musikvereins am 15. d.M.“, in: Allgemeine Wiener Musik-Zeitung 2 (1842), S. 86f.: „Erstes Concert des Violoncellisten Herrn Franz Servais“, in: Österreichisches Morgenblatt 7 (1842), S. 87; „Sonntag den 20. Febr. Zweites Konzert des Violoncellisten Herrn François Servais“, in: Adler (1842), S. 279; „Zweites Concert des Hrn. F. Servais“, in: Österreichisches Morgenblatt 7 (1842), S. 95f.; „Zweites Concert des Hrn. Servais“, in: Allgemeine Wiener Musik-Zeitung 2 (1842), S. 95; Carl Kunt, „F. Servais“, in: Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode (1842), S. 308ff.; „Dritte Production des Hrn. F. Servais“, in: Österreichisches Morgenblatt 7 (1842), S. 107f.; „Drittes Concert des Hrn. F. Servais“, in: Allgemeine Wiener Musik-Zeitung 2 (1842), S. 109.

[7] Vgl.A[lfred] J[ulius] Becher, „Concert des Hrn. Max Bohrer, im Saale des Musikvereins, am 28. v. M.“, in: Allgemeine Wiener Musik-Zeitung 2 (1842), S. 110; H-r, „Bohrer und Servais“, in: Humorist (1842), S. 212.

[8] Bass-Arie von Stunz und Opferlied von Beethoven.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (13.12.2021).