Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287
Druck: Michael Geß, Studien zu Jean Joseph Bott. Biographische Skizzen und vorläufiges Werkverzeichnis, Staatsexamensarbeit Univ. Kassel 1999, S. 19 (teilweise)
Zitat: Horst Heußner, „Jean Joseph Bott“, in: Lebensbilder aus Kurhessen und Waldeck, hrsg. v. Ingeborg Schnack, Bd. 6 (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen und Waldeck 20), Marburg 1958, S. 1-13, hier S. 4

Frankfurt den 16t. Januar. 42.

Hochgeehrtester Herr Kapellmeister!

In der Überzeugung welchen Antheil Sie an Ihrem Schüler, meinem Jean nehmen, erlaube ich mir einige Worte über den Erfolg der am Freitag als den 14t. d. Mts. von der Mozartstiftung im Schauspielhause veranstaltete Konzerts, mitzutheilen.1 Nach der frühern Bestimmung stellt derselbe das Konzertino „Sonst und Jetzt“ und das Potpourri aus Jessonda in eben benannten Konzert spielen, allein der Herr Speyer äusserte den Wunsch, wenn es Jean einerlei wäre, er möchte das Achte Konzert, (die Gesangsscene) anstatt dem Potpourri, vortragen, wozu nur mein kleiner sogleich bereitwillig war, indem er dieses Konzert, vorzugsweise gern spielt. Er trug jedoch Bedenken daß Sie es ihm mißbilligen würden, weil schon in Kassel von Ihnen die Beiden obigen Piecen festgestellt worden wären, allein wir redeten es ihm aus, und so blieb es bei dem Wunsch des Herrn Speyer. Freitag Morgens 11 Uhr war die Probe und das Achte Konzert wurde gut begleitet, allein wie es an Sonst u. Jetzt kam, da war Noth in allein Theilen der Kapelle. Guhr forderte mich auf, neben ihn zu stellen und die Tempos pp. mitangeben zu helfen, und obgleich die Militair-Trommel von dem Musikmeister2 des hiesigen Musikcorps selbst übernommen wurde, so hielt es danach so schwer bis die Stimme einigermaßen klar wurde – die Violinen so wie die Clarinette und Flöten, wollten, so wie noch manch andere Partie, nicht recht gelingen –
Es war eine Arbeit damit, bis es einigermaßen zusammen ging, welche ich von dem Frankfurter Orchester nie gelaubt habe. Indessen wurde es am Ende doch ziemlich gut exekutirt und am Abend ging es, einige kleine Fehler abgerechnet, recht gut. Der Jean wurde, als er hervorkam mit einem Krache begrüßt – bei jedem Solo oder vielmehr nach jedem Solo ebenfals stürmisch applaudirt – als er nun im zweiten Theil, Sonst und Jetzt spielte, konnte er fast nicht fortspielen, so stark war der Applaus, und am Ende wurde Dacapo gerufen, welches aber nicht gut geschehen konnte, indem er sich doch zu Müde gearbeit hatte. Allein wie er kaum die Bühne verlassen hatte, wurde er stürmisch hervorgerufen, und da waren die Notabilität, namentlich Herr von Beethmann, wie man mir später sagte, am Eifrigsten. Wie sehr habe ich diesen Abend gewünscht Sie mögten zugegen sein, indem ich diese Jungen noch nie so Geistreich und Feurich habe spielen hören – er speit lauter Feuer – Es war ein Triumph, wie ihn nur Künstler von Weltruf haben können. Mann sagt hier Allgemein, die Mozartstiftung habe an ihrem ersten Zögling das große gezogen – Gott möge geben, daß es Wahrheit sei. Herr Speyer ist ganz ausser sich vor Freude. Nach dem Konzert mußten wir beide in den Liederkranz3 kommen, wo nach Tische eine sehr schöne Rede an Jean gesprochen wurde – Ich hätt noch so manche mitzuthilen, allein ich will sie nicht mit meinem Geschwätz noch länger belästigen, nun noch eines: Herr Molique aus Stuttgard ist Gestern-Abend hier angekommen und hat heute früh, 3 neue Quartette von sich, probirt, welche sehr schön sind. Er sagte mir, daß er noch heute Abend nach Kassel abreisen würde und von da weiter nach Hamburg reisen und daher nicht genau angeben konnte ob er sich in Kassel aufhalten könne und sich Ihnen vorstellen könne. Derselbe geht nach England, macht jedoch langsam die Tour durch die nordischen Städte und durch Holland.
Viele Grüße von Herrn Speyer und Herr Schnyder von Wartensee. Auch meine Kleiner empf. sich Ihren gütigen Wohlwollen und grüßt Sie herzlich so wie ich die Ehre habe zu sein Ihr

ganz ergeb.
Bott.



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Bott an Spohr, 06.11.1836.

[1] Vgl. C[arl] G[ollmick], „Frankfurt a. M.“, in: Allgemeine musikalische Zeitung 44 (1842), Sp. 115-120, hier Sp. 119f.; W., „Conzert zum Besten der Mozartstiftung in Frankfurt a. M.“, in: Didaskalia 17.01.1842, nicht paginiert.

[2] Noch nicht ermittelt.

[3] Der Liederkranz war Veranstalter des Konzerts (vgl. „Konzert des Liederkranzes zum Besten der Mozartstiftung im Schauspielhause“, in: Didaskalia 11.01.1842, nicht paginiert). Die Mozartstiftung war aus dem Liederkranz heraus gegründet worden (vgl. Wilhelm Speyer an Spohr, 10.09.1838; C[arl] G[ollmick], „Die Mozartstiftung in Frankfurt a. M.“, in: Neue Zeitschrift für Musik 17 (1842), S. 163ff.).

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (24.02.2022).