Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Wohlgeborner
Hochzuverehrender Herr Kapellmeister!

Die Nachricht, welche ich aus Ew. Wohlgeboren letzten1 gütigen Schreiben, so wie aus einem Brief des Herrn Hauptmann, den ich vor einigen Tagen erhielt, erfahren habe, daß mein Sohn schon seit Mitte October keine Stunden bei Herrn Hauptmann mehr erhält, hat mich sehr betrübt, da ich auf den Unterricht dieses schätzbaren Mannes sehr viel baute und gewiß hoffte, daß der leichtsinnige Bube nach und nach mehr Eifer zeigen und doch wenigstens einige, wenn auch nicht große Fortschritte machen würde; nun ist aber in dieser Hinsicht alle Hoffnung verloren, ich sehe recht gut ein, daß Ew. Wohlgeboren nur zu recht haben, daß, wenn der innere Trieb fehlt, alle Ermahungen, Bitten und Drohungen vergeblich sind; es ist unverzeihlich von den bösen Buben, daß er diese herrliche Gelegenheit, die jeder andere ordentliche Mensch mit den größten Eifer ergreifen würde, sich unentbehrliche Kenntniße zu verschaffen, so ganz unbenutzt verschleudert, ich darf gar nicht daran denken, wenn ich nicht in den größten Aerger über den Buben gerathen will. Jetzt sehe ich aber ganz deutlich ein, daß H. Amende nicht redlich gegen mich zu Werke geht und mir alle unrechten Handlungen meines Sohnes verheimlicht, er hat mir in den Briefen, welche ich seit dieser langen Zeit von ihm erhielt, kein Wort davon geschrieben, daß meines Sohnes Stunden bei Herrn Hauptmann aufgehört haben, obgleich es ihn Herr Hauptmann sogleich sagte und nicht überhaupt alle Antworten auf die Fragen, welche ich wegen der Aufführung meines Sohnes in anderer Hinsicht an ihn thun, ganz aus, so daß ich umso mehr da auch mein liederlicher Bursche erst ein einzigesmal an mich geschrieben hat, ganz in Ungewißheit bin. Durch den Juden Schönfeld2 von hier, habe ich erfahren, daß mein Sohn, von dessen Bruder Schönfeld3 in Cassel 2 Th geborgt hat, Ew. Wohlgeboren bitte ich ganz ergebenst, daß Sie die Gewogenheit haben möchten sich4 den Zusammenhang dieser Sache von meinen Sohn erklären zu lassen, und ihn dabei zu sagen, daß unter solchen Umständen, das Zeugniß, welches er doch nothwendig bei seinem Abgang von Cassel von Ew. Wohlgeboren mitbringen müsse, sehr schlecht ausfallen würde, was bei dem des Herrn Hauptmann so der Fall wäre und ihn um sein ganzes zeitliches Glück bringen müßte, vielleicht giebt er sich dann doch Mühe, ordentlicher zu werden. Auf Ew. Wohlgeboren gütigen Rath habe ich nochmals an Herrn Kapellmeister Grund geschrieben und da er mir immer viele Freundhschaft erzeigt hat, so bin ich überzeugt, daß er auch jetzt alles mögliche dazu beitragen wird, meinen Sohn zu einer Anstellung zu verhelfen,Ew. Wohlgeboren gütige Recommendation ist aber freilich die Hauptsache dabei und ich bitte ganz ergebenst, daß Sie, wenn es der Junge auch keineswegs verdient ihn doch dieselbe nicht versagen mögen; in Meiningen möchte ich ihn deshalb gerne unterbringen, weil er doch da unter Herrn Kapellmeister Grunds Leitung sich immer noch mehr bilden kann, auch von diesem noch beaufsichtigt werden würde, und da er bald militärpflichtig wird dadurch von dienstbefreit werden könnte. Ew. Wohlgeboren empfangen anbei wieder 50 Th zur Bestreitung der nöthigen Auslagen; es thut mir äussert leid, daß mein Sohn, obgleich er jetzt wieder gar nichts arbeitet, sich doch nicht die gehörige Mühe giebt, Ew. Wohlgeboren ganz zufrieden zu stellen, er wird es noch einmal schmerzlich bereuen, die edle Zeit so verschleudert zu haben, aber leider zu spät.
Ew. Wohlgeboren Frau gemahlin mich bestens zu empfehlen bittend bin ich mit der ausgezeichnetsten Hochachtung

Ew. Wohlgeboren
ganz gehorsamster Diener
Carl. Mahr.

Hildburghausen den 11. Januar 1842.

Mit großem Bedauern muß ich Ew. Wohlgeboren nochmals belästigen und um die Gewogenheit bitten, beiligende Briefe gütigst abgeben zu lassen.

Autor(en): Mahr, Johann Christian Carl
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Amende, Georg
Grund, Eduard
Hauptmann, Moritz
Mahr, Johann Carl Sebastian
Schönfeld, Julius
Schönfeld, Moritz
Erwähnte Kompositionen:
Erwähnte Orte: Kassel
Erwähnte Institutionen: Hofkapelle <Meiningen>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1842011140

Spohr



Dieser Brief ist zusammen mit dem Folgebrief Mahr an Spohr, 03.02.1842 die Antwort auf Spohrs derzeit verschollenen Brief vom 04.01.1842.

[1] Sic!

[2] Vermutlich Julius Schönfeld.

[3] Moritz Schönfeld.

[4] Hier gestrichen: „nach“.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (06.05.2022).