Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287
Goettingen am 25t November 1841.
Unter den herzlichsten Empfehlungen des genialen Liszt, mein innigst verehrtester Gönner! und unter Wiederholung seiner unauslöschlischen Dankbarkeit für Ihre so große u mannichfache Freundlichkeit für ihn, soll ich Ihnen bemerken, daß Gestern Abend, als er im Augenblick der Abreise Hrn Dr Kulenkamps das Es-Dur Concert von Beethoven zurückgeben wollte, sich fand, daß die in Pappe eingebundenen Prinzipal-Stimmen u auch die 2te Violine nicht dabey waren. – Sollte es nun möglich sey, beyde Manus’s(???) dort unter den übrigen im Theater benutzten Orchester Sachen noch wieder aufzufinden: so würde deren geneigteste Uebersendung an den Dr Kulenkamp oder an W. Rittmüller hieselbst gar dankbar allerseitig verehrt werden.
Das Concert Gestern Abend war, wie zu vermerken, sehr besucht, u. der Beyfall auch rauschend. (Wie wohl ich doch von allem was wir von dem genialen Künstler gehört haben, bey weitem dem größten, und überall eigentlich großen Genuß zurück dem Vortrage der resp. Weberschen u Beethovenschen Concerte verdanke.) –
Ein bereits halb u halb von ihm zugestandenes 2tes Concert im Theater zu Sonnabend wurde durch die unerwartete Ankunft des Fürsten Lichnowsky, – Großsohn des1 Fürsten2 dieses Namens, bey welchem Beethoven längere Jahre war, – vereitelt. Mit diesem hatte Liszt ein Rendevous in Gotha verabredet; welches er von Cassel aus abschrieb; um erst hieher zu gehen: wonach denn aber der Fürst in der Nacht vom 23t auf den 24t hier eintraf, ihn mit gegenseitigem herzzerreissensten Jubel unmittelbar über meinem Zimmer gleich aus dem Bette holte, und dann nach dem Concerte gegen Mitternacht ihn mit sich fortnahm; – zunächst nach Gotha zurück, u dann nach Berlin u Breslau, pp. –
Zu meiner großen Beruhigung habe ich micht bestimm von dem gänzlichen Ungrunde der dortigen Meinung überzeugt, daß Liszt die Hazard-Spiele liebe, und – vel quali(???) ohne Geld jetzt sey. – Ohne baares Geld ein Mahl zu seyn, kann einem so übermäßig gutmüthigen u genereusen Sprudeltopfe auch ohne Roulette pp wohl ein Mahl passiren; wie wohl es doch wohl mehr facon de parler3 war. – Uebrigens hat er z.B. seiner alten Mutter ein Capital von 40,000 Courant.4 Pr. in Staatpapieren zu lebenslänglichem Genuße der5 Renten übergeben, ohne irgend eigenes Vermögen gehabt zu haben. – Mündlich mehr darüber. – Auch als Mensch, u gemüthlich, habe ich ihn sehr lieb gewonnen. –
Verzeihung der übermäßig schlechten Wirtshaus Feder u Dinte! –
Ihr wärmster Verehrer
CFLueder.
Liszt wählte hier Rittmüller’s neuen Erard zum Concerte, u war wahrhaft entzückend daran. Die Wirkung war sehr großartig! – Wie Schade, daß wir dort sie entbehrten! –
Autor(en): | Lueder, Christian Friedrich |
Adressat(en): | Spohr, Louis |
Erwähnte Personen: | Kulenkamp, Gustav Lichnowski, Felix Liszt, Franz Ritmüller, Wilhelm |
Erwähnte Kompositionen: | Beethoven, Ludwig van : Konzerte, Kl Orch, op. 73 Weber, Carl Maria von : Konzertstück, Kl Orch, op. 79 |
Erwähnte Orte: | Gotha Göttingen |
Erwähnte Institutionen: | |
Zitierlink: | www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1841112535 |
Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Lueder an Spohr, 13.11.1841. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Lueder an Spohr, 23.12.1841.
[1] Hier drei Buchstaben gestrichen.
[2] Karl Lichnowsy.
[3] „façon de parler“ (frz.) = „Art zu sprechen“.
[4] „Courant.“ über der Zeile eingefügt.
[5] „der“ über gestrichenem „dessen“ eingefügt.
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (10.02.2021).