Autograf: Nationalbibliotek og Københavns Universitetsbibliotek [Nationalbibliothek und Universitätsbibliothek Kopenhagen] (DK-Kk), Sign. NKS 3392 4° nr. 352
Druck: J.P.E. Hartmann og hans kreds. En komponistfamilies breve, hrsg. v. Inger Sørensen, Bd. 1 (= Danish humanist texts and studies 17), Kopenhagen 1999, S. 194ff.

Sr. Wohlgeb.
dem Herrn Musikdirector
J.P.E. Hartmann
in
Copenhagen.

franco.


Cassel den 13ten
November 1841.

Hochgeehrtester Herr u. Freund,

Schon längst hätte ich Ihnen für die freundliche Übersendung Ihrer Oper „der Rabe“ meinen herzlichen Dank sagen sollen; immer verzögerte ich es aber, in der Hoffnung, Sie zugleich Namens unserer Hoftheaterdirection um die Partitur zu einer Aufführung auf unserm Theater bitten zu können. Da sich die Entscheidung deshalb aber in die Länge zieht, so will ich es wenigstens nicht länger verschieben, Ihnen meine Freude über die herrzliche Komposition zu erkennen zu geben und daß ich den sehnlichen Wunsch sage, sie vor unserm1 Publiko vorführen zu können. Was sich dem noch hindernd entgegenstellt, ist zunächst die Partie der Armilla die so hoch liegt, daß es nur wenige deutsche Sängerinnen geben wird, die sie unverändert singen können. Wir sind nun leider jetzt ganz ohne erste Sängerin, indem Dem. Pistor wegen Krankheit die Bühne hat verlassen müssen.2 Es wird indessen alles aufgeboten um wieder eine erste Sängerin zu aquiriren und so hoffe ich, soll diese Schwierigkeit bald beseitigt seyn, wenn es auch nöthig seyn sollte, die Parthie hin und wieder tiefer zu legen, was mit aller Diskretion für die Komposition geschehen würde.3 - Dann ist auch noch die Einwilligung des Prinzen4 zur Wahl Ihrer Oper zu verlagen, weil er sich diese bey allen neuen Theaterstücken vorbehalten hat. Wenn wir die Oper aber nur erst besetzen können, so wird sich das Übrige schon finden. Für die Parthie des Millo, die ebenfals sehr hoch liegt haben wir zum Glück einen sehr passenden Darsteller in der Person des Herrn Bieberhofer. Auch die übrigen Rollen können alle gut besetzt werden. Um eine reiche Ausstattung für die Oper zu gewinnen, werde ich sie für den Geburtstag des Prinzen in Vorschlag bringen. So bald ich alle Hindernisse beseitigt habe, werde ich um die Partitur bitten.
Ich bin die Oper mit Hülfe meiner Frau schon mehre Male am Clavier durchgegangen und habe mich sehr der Frische der Erfindung, der Neuheit der Modulazionen und der Wärme der ganzen Auffassung gefreut! Schwer wird die Oper wohl seyn; doch das habe ich nicht zu scheuen, da unsere Sänger größtentheils gut musikalisch sind und unser Orchester mit unter die besten in Deutschland gehört.
Mit der Bitte, meine späte Beantwortung Ihres lieben Schreiben[s mit] dem ausgeführten Verhältnisse gütigst entschuldigen zu wollen, von Herzen

der Ihrige
Louis Spohr

Autor(en): Spohr, Louis
Adressat(en): Hartmann, Johan Peter Emilius
Erwähnte Personen: Biberhofer, Eduard
Friedrich Wilhelm Hessen-Kassel, Kurfürst
Pistor, Marie
Erwähnte Kompositionen: Hartmann, Johan Peter Emilius : Ravnen
Erwähnte Orte: Kassel
Erwähnte Institutionen: Hoftheater <Kassel>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1841111313

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf Hartmann an Spohr, 22.07.1841. Hartmann beantwortete diesen Brief am 27.11.1841.

[1] Zwischen „un“ und „serm“ gestrichen: „sehr“.

[2] Vgl. „Aus Cassel“, in: Zeitung für die elegante Welt 41 (1841), S. 792.

[3]

[4] Der spätere Kurfürst Friedrich Wilhelm.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (03.11.2017).