Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287[Kinderfreund:3

Euer Wohlgeboren!

Vergeben, wenn ich, mir die Freiheit wieder nehme ein Porto zu verursachen; aber es ist mir vielfach erfreulich, wieder einmal einem Mann zu schreiben der die unbegränzte Achtung der Welt besitzt, und den ich nicht blos im Innern meiner Seele in inem so hohen Grade verehre, sondern auch bei jeder Gelegenheit es öffentlich beurkunde. Herr Happ, welcher durch zwei Jahre sich Geld, eine elegante Garderobe, und was noch mehr ist, Ruf und Ausbildung in der Kunst erworben, hat durch sein Benehmen und undankbaren Charater sich weder Empfehlung Euer Wohlgeboren, noch meines brüderlichen Wohlwollens würdig gezeigt; er glaubte mich zu prellen und hat während der Kontraktzeit gekündigt, indem er früher den abgeschlossenen Kontrakt von meinem Kanzellisten durch Hinterlist herauszulocken gewußt; ich, nahm die Kündigung mit Vergnügen an, indem seine Zöglinge von 32 auf 14 herabschmolzen, welcher zwar nicht seiner Unfähigkeit sondern seiner Brutalität, Ungezogenheit und seinem Eigensinn zuzuschreiben ist;
Er vergaß sich, zarte Kinder von 8 bis 19 Jahren mit der Stange des Bogens oft empfindlich zu schlagen, ja er behandelte erwachsene Lehramtskandidaten, welche älter waren wie er, wie Knaben, und mit aller Roheit, so daß sie lieber auf den so zweckmäßigen Unterricht der klassischen Spohr‘schen Schule (für 1 flr. ConvMzn monatlich!!!) verzicht leisteten. Von Intriguen gegen mich will ich nicht sprechen, darauf achte ich nicht, wenn nur der Lehrer für mein Institut redlich handelt; doch das gute Futter stach ihn, und der Esel ging aufs Eis tanzen. Leider hat Happ keine Erziehung, und keine Bildung genossen, dies bezeuget besonders sein letzter Streich, indem er mir wie eine Köchin auf 14 Tage gekündigt, nicht wie ein rechtlicher Mann, an einen Kontrakt gebunden.1
Doch zu meinem Zwecke, ein Herr Herdtmann trug sich für dessen Stelle an, und berief sich an Euer Wohlgeboren, ich bitte demnach, sehr freundlich, mir mit nächster Post zu schreiben ob er als Lehrer und Concertist geeignet sey und ob er einen sanften Charakter besitzt, er muß sich jedoch auf ein Jahr auf Probe zeigen. Der Gehalt besteht in den Monatgaben von jedem Schüler pr 1 fr Conv. Mzn monatlich, was weniger als 30 fr zahle ich darauf, was mehr eingeht, gehört ihm, daher hängt es nur von seiner Kenntnis und Benehmen ab. Die Zahl der Zöglinge hätte sich bis 50 gesteigert, wenn Happ sich, darnach benommen hätte, denn es ist die einzige Schule, die für 1 flr. Conv Mzn Unterricht geben kann. Endlich hat er eine Concert Einnahme, wo seine Colegen mitwirken müssen. Schließlich hat er die Verbindlichkeit, wie H Happ, in allen Concerten bei der ersten Geige zu dirigiren, und selbe nach Bedarf zu spielen im Solo und Orchester, endlich bei keinen andern Musiken ohne meine Einwilligung mitzuwirken. Noch muß ich bemerken, daß die Verbesserung nur von seinen Fähigkeiten und Benehmen abhängt.
Dero sehr verehrte Antwort baldigst entgegensehend habe ich die Ehre in alter Hochachtung und Verehrung zu seyn

Euer Wohlgeborn
ergebenster
Carl Jos. Kinderfreund

Prag den 7ten November
1841.

Sollte Herr Herdtmann nicht geeignet seyn so bitt ich, einen andern zu proponiren. Reise-Entschädigung für 10 fn Conv-Mzn.

Autor(en): Kinderfreund, Carl Joseph
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Happ, Wilhelm
Herdtmann, Heinrich
Erwähnte Kompositionen:
Erwähnte Orte: Prag
Erwähnte Institutionen: Musikinstitut Kinderfreund <Prag>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1841110745

Spohr



Der letzte erschlossene Brief dieser Korrespondenz ist Kinderfreund an Spohr, bis 23.03.1839. Spohr beantwortete diesen Brief am 13.11.1841.

[1] Vgl. Wilhelm Happs Gegendarstellung in seinem Brief an Spohr, 24.11.1840.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (10.06.2021).