Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287
Sehr geehrter Herr Kapellmeister!
Theurer, hochgeachteter Freund!
Von dem aufrichtigsten Wunsche beseelt, daß Sie mit Ihrer verehrten Gattin, (welcher ich mich, Ihr auch unbekannt, achtungsvoll empfehle;) glücklich und wohlbehalten von Ihrer Reise in Ihrer Heimath angelangt sind, und sich eines fortdauernden Wohlseins zu erfreuen haben, drängt es mich nun auch, Ihnen zu erkennen zu geben, wie empfindlich und schmerzlich mich die Nachricht traf, daß Sie theurer Mann! einige Tage in Stuttgart verweilten, ohne daß ich auch nur ein Wort davon erfuhr, noch eine Ahnung hatte, daß mein längst gehegter Wunsch, Sie wieder zu sehn und nach langer Zeit wieder herzlich und freundlichst begrüßen, und mich an dem Menschen wie an dem Künstler weiden zu können [der Realisirung so nah’ war]1, doppelt leid mußte es mir seyn, da Sie, verehrter Freund! (wie ich bestimmt nachher erfuhr,) sich theilnehmend und liebevoll nach mir erkundigt, ja mir sogar die Ehre Ihres persönlichen Besuchs zugedacht hatten. Ich war damals mit meiner kranken Frau 1½ Stunde von hier auf dem Lande. Es wäre Herrn M.D. Molique ein Leichtes gewesen, wenn derselbe ja meinen Aufenthalt nicht genau gewußt hätte, jene erfreuliche Neuigkeit meinem Sohne mitzutheilen, um mich der doppelten Freude zu würdigen, Sie zu sprechen und zu hören, und zugleich seinem Schüler die so längst gewünschte Gelegenheit zu verschaffen, Meister Spohr zu hören und dessen würdige Bekanntschaft zu machen. Er that es nicht; und so muß ich mich leider! damit trösten, daß ich nicht der Einzige bin, welchem er diesen Genuß entzogen; mehr aber mit der Hofnung, daß es nicht das Letzte Mal seyn werde, daß Sie Theuerster! Stuttgart besuchen, wo Ihre viel-verbreiteten Verehrer und Freunde sich alsdann gewiß werden angelegen seyn lassen, Ihnen einen würdigen Empfang zu bereiten, als es dies Mal nicht das Fall war, und nicht seyn konnte.
Innlagen sind von dem jungen Walter2 und meinem Sohne3.
Und nun noch eine Bitte. Würden Sie mir wohl erlauben, Ihnen den Text zu einer großen Oper, welche ich eben unter der Feder habe, zur Durchsicht übersenden zu dürfen, um Ihr aufrichtiges, geprüftes Urtheil darüber zu vernehmen? Die Hofnung wäre zu kühn, als sie zu nähren, daß Sie selbst vielleicht Hand an’s Werk legen könnten, um sie zu componiren? Mindestens würde mir diesem Textbuch4 vielleicht einem jungen aufstrebenden Tonkünstler, (einem Schüler von Ihnen) welcher sich durch ein dramatisches Tonwerk der Welt bekannt zu machen wünschte, gedient seyn. Ich leg’ es seiner Zeit in Ihre Hände. Schalten Sie frei und nach Einsicht damit.
Daß ich vor einigen Jahren meinem Bruder in Weimar schon einen Operntext schrieb „Die Neger“ wird Ihnen nicht unbekannt seyn; desgleichen gab ich vor einem Jahre ungefähr, unserm geschickten M.D. Ignaz Lachner einen komischen Operntext5. Die „Neger“ wurden einige Male zur Darstellung gebracht.
Kürzlich gab man bei uns Jessonda. Ein trefflicher Ohrenschmauß! Leben Sie wohl Verehrtester. und erhalten Sie Ihr freundschaftliches Wohlwollen ferner
Ihrem Sie innig hochachtenden
ergebensten
Wilhelm Häser.
Stuttgart
am 16t Sept. 1841.
Autor(en): | Häser, Wilhelm |
Adressat(en): | Spohr, Louis |
Erwähnte Personen: | Häser, Karl Lachner, Ignaz Molique, Bernhard Spohr, Marianne Walter, August |
Erwähnte Kompositionen: | Häser, August Ferdinand : Die Neger von St. Domingo Spohr, Louis : Jessonda |
Erwähnte Orte: | Stuttgart |
Erwähnte Institutionen: | Hoftheater <Stuttgart> Hoftheater <Weimar> |
Zitierlink: | www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1841091644 |
Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Häser, 03.11.1840. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Häser an Spohr, 09.02.1844.
[1] Ausdruck in Klammern am linken Seitenrand eingefügt.
[2] August Walter an Spohr, 14.09.1841.
[3] Karl Häser an Spohr, 15.09.1841.
[4] Noch nicht ermittelt.
[5] Noch nicht ermittelt.
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (03.04.2023).