Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287


London
am Montag Abend
den 6ten September 1841

Verehrtester Herr Kappellmeister!

die Zeit ist so schnell vergangen seit wir Sie verließen, daß ich keine Gelegenheit1 von Ihrer Erlaubniß Ihnen zu schreiben zu profitiren gehabt habe, aber da ich jetzt weniger zu thun, und mehr Neigung an meine Freunde zu denken habe ich freue mich auserordentlich Ihnen melden zu können daß obgleich ich in England alles recht hübsch und Vaterländisch finde, ich habe doch Sehnsucht nach Deutschland, und möchte sehr gern in Cassel seyn so gut hat es mir dort gefallen. ich weiß wohl daß ich Ihnen Gelegenheit gebe Ihr Anti Englisches Spleen los zu lassen und denke daß ich Sie triomphiren höre daß es ein Engländer geben kann den es nicht in seinem Vaterland ohne Ausnahme gefallen hat, und ich überlasse Ihnen diesen Triumph weil ich glaube daß es Sie freuen wird!
Aber verzeihn Sie diesen Scherz, Sie errinnern2 vielleicht noch wie Sie manchmal über mich gelacht haben weil ich durch dick und dünn England vertheidigen wollte und ich habe die vorgehenden Worte geschrieben, erstens weil Sie wahr sind, und weil ich mein Zeugnis geben wollte daß ich klüger bin und daß ich Deutschland vorzüge über England lassen kann.
Von der Frau von Malsburg werden Sie gehert3 haben daß es uns auf unserer Reise recht ginge. Wir haben den Rhein in seiner Herrlichkeit nicht gesehn aber wie großartig muß er bey schönen Wetter seyn dieser breite Strom und die wunderschöne Felsen und Ruinen auf jeder Seite. Den Dom zu Köln haben wir bei einem heftigen Regenstrom bewundern müssen haben also wenig davon sehen können.
Belgien besonders Mechlin und Antwerpen war sehr interessant, aber das schönste von allem waar4 wann wir die Themse hieranauführen und an London dann, hab’ ich erst die großartigkeit dieser WeltStadt kennnen gelernt!
Meine Zeit ist für unserer Rückkehr mit der Erwiederung alter Bekanntschaften, und mit komponiren, spielen so beschäftigt gewesen daß fürchte meine deutschen Freunde mich für einen sehr schlechten Correspondent gehalten haben. ich fange jetzt an Stunden zu geben eine Art, mein Brod zu verdienen die mir keineswegs gefallen will, aber daß hillft mir nichts ich muss es thun.
Sie werden von Ihrer Schweizer Reise zurückgekommen seyn von der haben wir hier nichts erfahren aber ich hoffe alles ist Ihrer Zufriedenheit gemäß glucklich ausgefallen. Taylor ist von London weggezogen und hat sich mit seiner Familie nach Norfolk begeben wir sehen Ihn also sehr wenig ich habe vor Kurzem in einer Musikalischen Gesellschaft eine Schwester seiner Schwiegertochter kennen gelernt ein sehr hübsches artiges Mädchen.
von Musikalien hab’ ich gar nichts neues zu erzählen ausser daß am Dienstag den 8ten (Morgen) Ihre „Letzten Dinge“ in Gloucester bey dem grossen Musik-Fest ausgeführt seyn werden5, und ich bedaure nur daß ich nicht gegenwärtig seyn kann.
Was halten Sie von dem Sieg den die Tories über die Whigs gewonnen haben. Sir Robert Peel ist jetzt glücklicherweise Premier und die Whigs sind Gottlob vernichtet! Sie werden sich mehr darüber gefreut haben aber Sie können glauben daß es für das Wohlseyn Englands nöthig war die Tories an daß Ruder der Regierung kommen sollten. Die Königin hat sich wahrend dieser Krisis herrlich benommen und scheint Lord Melbourne gänzlich aufgegeben zu haben.
ich muß nun diesen Brief zu schliessen lieber Herr Kappellmeister und um Verzeihung bitten daß er so lang geworden ist Mein Vater und meine Mutter lassen Sie und Ihre Frau Gemahlin herzlich grössen und rechnen fest auf daß Vergnügen Sie in diesem Hause recht willkom heißen zu können
Meine Schwester und ich vereinigen in einem Gruß an Madame Spohr und mit der grössten Hochachtung verbleibe ich verehrtester
Herr Kappelmeister
Ihr treu ergebener
Charles Edward Horsley

Autor(en): Horsley, Charles Edward
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Dochow (Schwester von Meta Taylor)
Malsburg, Caroline von der
Melbourne, William Lamb
Peel, Robert
Taylor, Edward
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Die letzten Dinge
Erwähnte Orte: Antwerpen
Köln
London
Mecheln
Erwähnte Institutionen: Musikfeste <Gloucester>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1841090644

Spohr



Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Horsley an Spohr, 23.12.1841.

[1] Hier gestrichen: „gehabt habe“.

[2] Sic!

[3] Sic!

[4] Sic!

[5] Vgl. „Gloucester Musical Festival“, in: Musical World 16 (1841), S. 178-183, hier S. 179.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (13.04.2022).