Autograf: nicht ermittelt

[…] Seit einiger Zeit sind wir nämlich ohne ersten Geiger und da mir, wie mehren Musikliebhabern dran gelegen ist, daß der Posten gut, womöglich durch einen Deutschen besetzt werde, so haben wir uns vereinigt, um eine Summe zu stipuliren, die dem Künstler als Prämie, & ohne daß er dafür irgend anders zu thun habe, als sich hier niederzulassen, zufließen soll, nämlich francs 1000 pr Jahr.
Davon kann er Wohnung Kost & Kleidung hier auf recht anständige Weise & ohne Mühe, bestreiten und es liegt dann nur an ihm in einer Stadt wie die unsrige, von c. 70,000, Einw. sich ein gutes Fortkommen zu sichern. Lectionen kann er die Menge haben; sie werden mit fcs 2 bis 5 nach Vermögen der Schüler honorirt. Die Abende wird er häufig Gelegenheit finden, in Gesellschaften & bei Quartettfreunden angenehm & zugleich lucrativ zu verbringen & er wird ferner Gelegenheit zu Engagements in Concerten bekommen, wo ihm für Solovorträge von fcs 150 bis 250 je nach Umständen zufließen können. –
Die nächste Opernsaison (d. h. 1842∕43) kann er auch als Vorgeiger im Theater engagirt werden, wenn er sich vorher die unumgängl nöthige Kenntniß im Französischen erworben hat.
Er müßte vor diesem Winter herkommen.
Natürlich wünschen wir das fixum nur einem wohlempfolenen jungen Mann zu sichern, der als Violinist und Musiker tüchtig, & im Quartettspiel nicht unerfahren ist. Zu seinem bessern Fortkommen wäre es gut, wenn er wenigstens etwas Französisch schon bei seiner Ankunft verstünde und sich in Gesellschaft anständig zu produciren wüßte.
Einem Mann mit Familie möchte ich nicht empfehlen herzukommen, weil dann doch der Erfolg seinen Hoffnungen nicht entsprechen könnte und das fixum für eine Familie unzureichend ist.
Wir verlangen kein festes Engagement; die fcs 1000 werden ganz privata für den Aufenthalt des Geigers ihm zufließen –
Natürlich wünsche ich daß Sie nur dann diesers Gegenstandes eingedenk seyn mögen, wenn sich ihnen Gelegenheit direct dafür zu thun enbietet; um keinen Preis möchte ich Ihnen nur eine Viertelstunde Ihrer kostbaren Zeit rauben und dann schon beschränkt es dieses langen Briefes.
Wenn Sie einen auf die genannte([???) Violinistenstelle Reflectirenden wüßten, so bitte ich ihn, mir unter dem Fuße ds. befindlichen Adresse zu schreiben. [...]

Autor(en): Rymenans, Eugène
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen:
Erwähnte Kompositionen:
Erwähnte Orte: Antwerpen
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1841081946

Spohr



Die Existenz dieses Briefs folgt aus Spohr an Johann Adam Happ, 24.08.1841: „Da ich nun, wie Sie aus einliegendem Briefe ersehen, ihm zu einem Engagement in Antwerpen verhelfen kann […]“. Zu Identifikation des Autoren vgl. Wilhelm Happ an Spohr, 05.09.1841.
Der hier wiedergegebene Text ist entnommen dem in den Bedingungen für den gesuchten Geiger vermutlich etwa gleichlautenden Passage im Brief von Rymenans an Felix Mendelssohn Bartholdy, 19.08.1841 (Bodleian Library Oxford (GB-Ob), Sign. M.D.M.d. 40/45). Dessen Briefdatum ist auch dem hier erschlossenen Brief zugrundegelegt. Analog zum Brief an Mendelssohn dürfte der hier wiedergegebenen Passage neben der Begrüßung ein Verweis auf gemeinsame Bekannte vorausgehen.
Spohrs Antwortbrief ist derzeit ebenfalls verschollen.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (07.04.2022).