Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287[Albrecht:1

Nürnberg, d. 17 Juni 1841.

Hochverehrter Herr Kapellmeister!

Es wird Ihnen in der Mitte Ihres ruhmvollen Kunstlebens und der wichtigeren Zufälle, welche Ihnen dasselbe vorführt, kaum mehr erinnerlich seyn, daß ich vor 6 Monaten an Sie die Anfrage in Betreff einer Anstellung als Violinist für mich wagte. Ihre gütige Antwort, wenn sie auch bezüglich der gewünschten Anstellung nicht günstig lautete, war doch so freundlicher Art, daß ich mich bei der Erinnerung an dieselbe sehr ermuntert fühle, mich vertrauenvoll an Sie zu wenden. – Vorerst muß ich Ihnen erklären, hochverehrter Herr Kapellmeister, daß ich, obgleich ich mir schmeicheln kann, meine Laufbahn als Violinspieler mit Glück betreten zu haben, dennoch mein Streben nach künstlerischer Vervollkommnung mehr auf das Fach der musikalischen Komposition richtete, wohl aus natürlicher Vorliebe. Da ich nun seit dem Beginn meines musikalischen Treibens dasselbe größtentheils diesem Studium widmete, und im eifrigen Verfolgen desselben mein höchstes Glück, meine vollkommenste Befriedigung finde, noch dazu in ihm, da ich es doch schon zu meinem hauptsächlichen Lebenszweck gewählt habe, spätern bedeutenderen Erfolg erwarte, so gestehe ich Ihnen offenherzig, daß es mein lebhafter Wunsch ist, jetzt den Beginn der allmäligen Veröffentlichung meiner Kompositionen zu machen. War dieß früher schon mein Gedanke, so habe ich ihn bis jetzt zurückgehalten, weil ich es für schädlich hielt, das erstemal öffentlich mit einem Werke aufzutreten, das nicht wenigstens den Beifall verdiente. Ich getrau mir nicht zu sagen, daß beiliegendes Quatuor, welches ich in der letzten Zeit komponirte, Anspruch auf Lob machen könne, doch würde es mich unendlich freuen, wenn ich von Ihnen die beifällige Antwort erhielte, daß dasselbe wohl als Vorbote von künftigen bessern Werken veröffentlich zu werden verdiente. Darf ich nun wagen, hochverehrter Herr Kapellmeister, Sie als einen ersten Meister der musikalischen Komposition, dessen seltene Kunstleistungen die Bewunderung der ganzen Welt für sich haben, zu bitten, mein Werk Ihrer aufmerksamen Durchsicht und Prüfung zu unterwerfen, mir Ihr aufrichtiges Urtheil, das mich in Verbesserung sowohl dieses als bei der Composition meiner künftigen Werke leiten soll, mitzutheilen, mir, da ich mit den bürgerlichen, musikalischen Verhältnißen wenig bekannt bin, als Mann von so vieler Erfahrung in Betreff der gewünschten Veröffentlichung desselben an die Hand zu gehen, und meinem Werk, wenn Sie es anders dieses Vorzugs werth halten, durch Ihre freundliche Empfehlung einen allgemein günstigen Eindruck zu sichern? – Meine Absicht bei der Komposition derselben war, ein gediegenes Werk zu liefern, und in wiefern ich derselben von der einen oder andern Seite betrachtet mehr oder weniger Genüge geleistet habe, erwarte ich vertrauensvoll von Ihnen zu erfahren. Sollte es sich aber nur einigermaßen Ihrer Billigung zu erfreuen haben, so wiederhole ich meine Bitte, dasselbe mit Ihrer Empfehlung zu seinem öffentlichen Wege zu geleiten und mir dadurch in Ihnen noch besonders dankbar den Gründer meiner unter Ihrer gütigen Protektion gewiß glücklichen musikalischen Laufbahn erkennen und verehren zu lassen. –
Die Versicherung, daß 2 Zeilen von Ihrer verehrten Hand zu besitzen, für mich von unschätzbarem Werth ist, wird meine Bitte um, wenn es thunlich ist, baldige Antwort entschuldigen, welche ich Sie, da ich meinem lieben München in dem Augenblick nicht ganz treu geblieben bin, nach Nürnberg post restante zu addressiren ersuche. –
Zum Schluß bitte ich noch um Entschuldigung der mir genommenen Freiheit und zeichne mich hochachtungsvollst, hochverehrter Herr Kapellmeister,

Ihr
ganz ergebenster
Moritz Albrecht.

Autor(en): Albrecht, Moritz
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen:
Erwähnte Kompositionen:
Erwähnte Orte:
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1841061743

Spohr



Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Albrecht an Spohr, 04.04.1849.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (05.09.2023).